Ehen
Im Social-Media-Bereich gibt es nur nicht erwähnte bis besonders liebevolle und intakte Ehen. Es ist wunderbar, zu hören, dass es ein lebenslanges Glück auf dieser Welt noch gibt,
während in meinem privaten Umfeld die Welt ein wenig realistischer rüberkommt: Frauen beklagen sich über Männer, die überhaupt nicht zuhören können,
während die Gesamtheit der Kerle kaum je eine Niederlage im häuslichen Bereich zugeben würde. Was nicht heißt, dass man ihnen diese nicht am Gesicht ablesen könnte. Natürlich ist es möglich, dass sie über ihr ganz persönliches Dilemma auch nur mit anderen Männern, aber nicht mit mir, sprechen.
Allgemeines Lob erfahren Ehen, die jahrzehntelang halten - und das bekommen sie im realen wie auch im virtuellen Dasein - obwohl das kein Kriterium für eine wirklich glückliche Verbindung sein muss.
Vielfach backen Frauen (immer noch) kleine Brötchen und bewundern ihre Männer, obwohl sie eigentlich hier und da einen Tritt in den Hintern verdient hätten. Männer wollen andererseits ihre ehelichen Niederlagen nicht - und nicht einmal sich selber - eingestehen. Und sowohl Männer wie auch Frauen sind in diesem Fall bis zu einem gewissen Punkt feige.
10, 20, 30 oder sogar 50 Jahre Kleinkrieg - wer kennt das nicht aus seiner unmittelbaren Umgebung? Der äußere Schein ist wichtiger als die innere Zufriedenheit. Und die Frage, wohin die Liebe gegangen ist,
stellt sich niemand mehr. Durchhalten ist die Parole. Eigene Lebensräume unabhängig vom Partner schaffen.
Ehen werden im Vor-Himmel geschlossen, aber der Mensch ist nicht fürs Himmlische gedacht, obwohl er immer noch dran glaubt.
Niemals würde jemand zugeben, dass er zwar 50 Jahre verheiratet, aber seit 45 Jahren nicht mehr glücklich ist.
Aus der Nachbarschaft kannte ich ein Paar (ich kannte sie lange, aber doch eher flüchtig), das mit über 90 Jahren noch Hand in Hand durch die Straßen gegangen ist. Nun ist die Frau kürzlich mit 92 Jahren verstorben, er blieb allein zurück. Unterwegs habe ich ihn seitdem nicht mehr getroffen. Sie war stets eine ausgesprochen freundliche und hingewandte Frau, er eher ein Bollerkopp - der jedoch in ihrem Beisein zu einem Schmusekater wurde.
Ein Gegenteil dieses Paares kenne ich von meinen täglichen Waldspaziergängen: sie sind etwa Ende 60, aber man kann leicht den Eindruck gewinnen, dass sie einander überdrüssig sind. - Doch wer weiß schon, wie es im Innern dieser Ehe wirklich aussieht? Vielleicht sind sie zufrieden, dass sie einander haben? Das ist sogar trotz aller Differenzen möglich.
Ich habe einige Paare gekannt, die mindestens 10 Jahre zusammen waren, bevor sie sich zur Heirat entschlossen haben: bei all diesen kam es dann schnell zur Scheidung. Vielleicht ist Heirat doch keine so gute Idee? Zumindest in Einzelfällen.
Ich wünsche allen Ehepaaren einen glücklichen Verlauf ihrer Ehen. Und wenn es - wie so oft - im Leben nicht klappt,
so funktioniert das posthum meistens prima. Denn ich kannte unglückliche Ehen, die nach dem Tod eines Partners
plötzlich in einem ganz anderen Licht dagestanden sind. Vielleicht verinnerlicht jeder
nur die guten Zeiten und radiert die schlechten rigoros aus. Um sich selber zu schützen und nicht als Versager oder Versagerin zu fühlen?
Guten Tag, Gruß Silvia