31 Jahre haben uns getrennt ...
Vielleicht war er einer der wichtigsten Männer in meinem Leben, und sicher habe ich ihn und die Probleme, die er damals in mein Leben gebracht hat, nicht vergessen.
Er hieß oder heißt Günther und wir haben uns in Dortmund in der Theater-Klause nahe dem Stadttheater kennengelernt. Ich glaube, das Lokal hieß Theater-Klause ... genauer erinnere ich das nicht.
Aber oft und auch heute noch erinnere ich mich gern an Günther. Er war der intellektuelle Freund, den ich in jungen Jahren gebraucht habe, weil er mir die Welt ein Stück weit besser und weit ab von Erziehungsmaßnahmen erklären konnte.
Aber: er hat mich auch tief enttäuscht, betrogen und belogen ...
Er wollte die junge Haut und die jungen Gedanken, und er hat sich nicht gescheut, mich in beiderlei Hinsicht auszunutzen.
Vorgestellt hat er sich mir als ein Mann, der lediglich 17 Jahre älter war als ich.
Die erste Lüge.
Die ich ihm als 25jährige durchaus abgenommen habe, denn er war der attraktive alterslose Mann, den ich sonst nur aus damals schon alten US-Filmen kannte. Ein bisschen Cary Grant, ein bisschen James Stewart und als Topping auch Günther selber.
Werbung war sein Beruf, und dass Klappern auch zu seinem Privat-Hobby geworden war, erfuhr ich erst viel später ...
als er mich mehr halten wollte als ich ihn.
In zwei Jahren hatten wir uns angenähert, aneinander gewöhnt und beiderseits lieb gewonnen. Das Wort Liebe ging mir schon immer schwer über die Lippen - aber es kam der Liebe wohl nahe. Trotz aller Unterschiede, die vor allem in trennenden Lebensjahren vorhanden waren.
Der verheiratete Mann
Ich weiß gar nicht mehr, auf welchen Wegen ich damals erfahren habe, dass Günther verheiratet war - und dass er viel älter als von sich selber behauptet war: ganze 31 Jahre älter als ich.
Auch weiß ich nicht mehr, wie schwer mich das getroffen hat. Vermutlich ziemlich schwer, denn ich hatte mich als die einzige - oder zumindest damals einzige - Frau gesehen, mit der er sein Leben teilte.
Erleichtert wurden seine Lügen durch die Tatsache, dass er in Osnabrück lebte - aber jede Woche in Dortmund beruflich unterwegs war.
Nächtelang haben wir diskutiert. Oft über Politik. Die damalige - heute verschluderte und verluderte - SPD gehörte zu einer unserer Lieblings-Themen, denn in diesem gemeinsamen Thema konnten wir unsere Meinungen ganz einfach aufeinander abstimmen: wir wählten beide diese Partei.
Ansonsten sprachen wir über Gott und die Welt - und selten vorher oder auch später habe ich einen Menschen getroffen, mit dem ich derart offen und auch kontrovers über alle relevanten Themen sprechen konnte, ohne dass wir in einen Streit gerieten.
Der nächtliche Anruf
Heute denke ich, dass er anfangs nur meine Jugend gegenüber seiner gesetzten Jahre gemocht hat. Aber: das hat sich schon damals gewandelt.
Ich habe ihm einen sprichwörtlichen Arschtritt verpasst, als ich erfahren habe, dass er verheiratet ist. Und das nicht,
weil ich moralisch so verantwortungsvoll gegenüber anderen Frauen bin, die ich gar nicht mal kenne - sondern
weil er mich belogen hatte.
Nach unserer Trennung fuhr er mit seiner Frau in die Bretagne in den Urlaub.
Aus diesem heraus rief er mich mehrmals an - ohne sich je selber zu melden. Aber es gab im Hintergrund oft französischsprechende Stimmen... und er hat später erzählt, dass er der Anrufer war, um hin und wieder meine Stimme zu hören.
Die endgültige Trennung
erfolgte erst viel später, denn wir kamen wieder zusammen. Und diesmal ohne all das Lügengerüst, das von Anfang an nie nötig gewesen wäre.
Andere mögen es vielleicht unmoralisch empfinden, dass ich - nach kurzer Unterbrechung - weiterhin mit einem verheiratetem Mann zusammen war - aber ich kannte seine Ehefrau immer noch nicht. Dafür hat er mir sein ehrliches Alter gestanden. Es blieb ihm schließlich keine Wahl.
Und seine ehrliche Liebe, an die ich bis heute glauben kann.
Es mag sein, dass er seine Frau auch geliebt hat - ich halte das sogar für sehr wahrscheinlich - aber wichtig war, dass ich mich am Ende nicht
vollkommen in einem Menschen getäuscht hatte. Wichtig für mich selbst. Wichtig für mein künftiges Leben.
Der andere jüngere Mann
Irgendwann trat er in mein Leben. Nicht gesucht. Einfach so.
Im Nachhinein würde ich sagen: er war der auf der Hand liegende Ausweg (obwohl ich nicht der Meinung bin, ein anderer Mann wäre nötig, um eine bestehende Beziehung zu beenden) aus einer Beziehung, die ohnehin irgendwann - auf natürliche Weise - durch den Altersunterschied zwischen Günther und mir passiert wäre.
"Der Mann ist nichts für dich", sagte Günther damals, als ich ihm von diesem Mann erzählt habe. Für mich behalte ich den Grund, warum Günther so dachte.
Das Leben verläuft in Kurven.
An dem Tag, als ich Günther verlassen habe, war er mir näher als je zuvor.
Und ein bisschen nah ist er mir bis heute geblieben. Oder sogar ein bisschen mehr als nur ein bisschen.
Günther war mein Geliebter, aber auch mein bester Freund und einer, der es stets nur gut mit mir gemeint hat -
trotz seines Lügengerüstes.
Ein Foto habe ich nicht von Günther - die hat sein Nachfolger irgendwann alle vernichtet. Damit hat er aber nicht meine Erinnerungen an diesen geliebten Freund - und das war er vorrangig - zerstören können.
Meine Vernunft hat mir damals geflüstert, dass ich eines zu frühen Tages leiden müsste, wäre ich bei Günther geblieben. Trennende Jahrzehnte sind eben nicht nur trennende Jahre, sondern von dem einen ein gelebtes Leben, das die andere nicht mitgelebt hat - und das für noch mehr Gemeinsamkeiten steht. So wie die Gemeinsamkeiten zwischen Günther und seiner Ehefrau. Er hat ihr übrigens dann von mir erzählt und wir haben einmal miteinander telefoniert.
Und es sind trennende Interessen, die irgendwann deutlicher zutage getreten wären.
Guten Tag, Gruß Silvia
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