Warum ruft man in entscheidenden und auch banalen Momenten nach Gott?
Wenn es Gott gibt, hat er sich längst von der Welt abgewandt, denn sie ist ihm vermutlich nicht nur ein bisschen, sondern ziemlich peinlich. Menschenkinder sind zu einem Menschenskinder mutiert, und sie sind weitgehend außer Kontrolle geraten.
Sie knechten sich und werden geknechtet. Sie sind arm und reich, und die Reichen sehen auf die Armen herab, als hätten sie ansteckende Krankheiten. Sie sind im Mittelfeld angesiedelt, aber das Mittlere schmilzt dahin wie es auch Schnee in den ersten Sonnenstrahlen schafft. Wer ist der Schnee - und wer die Sonne?
Ungeachtet, dass sich Vorzeichen umkehren können, ergießt sich die Sonne über den Schnee und ist erbarmungslos.
Alle eint nur
noch eines: der Ruf nach Gott.
Der ist nie oder höchst selten ernst gemeint, sondern der Rest einer vergangenen Erziehung, in der man noch wusste, wer Gott sein könnte. Der Sonnenstrahl ruft nach Gott, wenn die Schmelze eintritt. Die Schmelze ruft nach ihm, wenn sie in einem Bach der Belanglosigkeit dahinfließt und nur noch ein Tropfen unter vielen ist.
Die eine ruft nach Gott, wenn ihr ein Fußnagel abbricht, die andere, wenn sie in der Monatsmitte nicht mehr weiß, wie sie ihre Kinder für den Rest der verbleibenden Zeit ernähren soll.
Gott hört auf keinen von beiden.
Der Fußnagel und der Geldmangel haben für ihn die gleiche Priorität, die nur in unterschiedlichen Dimensionen stattfindet. Aber: wer weiß schon, wie Gott denkt?
Vielleicht empfiehlt er der einen, sich den Nagel klaglos reparieren zu lassen - und der anderen, sich um mehr Arbeit zu kümmern, um alles ins Lot zu bringen?
Ein anderer weint um einen Kratzer in seinem schicken Luxusauto, während einem anderen der aus Geldmangel nicht erneuerte, alte Reifen auf der Autobahn platzt und ihn ins Schlingern bringt: auf der einen Seite geht es um Befindlichkeiten, auf der anderen um Leben und Tod.
Es ist nicht sicher, welches Geschehen Gott in diesen beiden Fällen ungeschehen machen würde: obwohl es jedem klar sein dürfte, wie er als ein Ober-Gerechter handeln könnte: er mischt sich nicht ein.
Man kann Gott anrufen, so viel man will, er könnte es überhören, weil das Wort "Gott" den Menschen einfach leicht über die Lippen geht, als konsumierten sie einen Smoothie, der bitter schmeckt, aber der Gesundheit guttut.
Während er auf "Gott" vielleicht noch gern hört, ist er sicher allergisch auf "Oh Gott, oh Gott", denn was hat er mit all dem
Dilemma zu tun, in dem wir Menschen gerade stecken -
oder in das die, die nicht drin stecken, noch hineingeraten können?
Auch letztere erwähnte Menschen vergessen ihn nicht, denn wenn sie ihren Dom Perignon über
das Dior-Kleid
schütten,
rufen sie ebenso Gott an wie ein kleines Kind, das hinfällt und sich die Knie aufschlägt.
Das Kind ist noch unschuldig und hat den Schrei nach Gott abgekupfert, aber wehe, das Dior-Kleid erleidet Schaden ...
dann wird Gott nicht um Hilfe angerufen, sondern bekommt sein:
Gottnochmal. Verdammt!
Zuletzt schreit der Verbrecher Gott um Hilfe an, dass man ihn polizeitechnisch nicht erwischt - und sein Opfer weint voller Verzweiflung "Oh mein Gott, warum?"
Guten Tag, Gruß Silvia
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