Samstag, 4. Juni 2022

4. Juni 2022 - Charlie hat uns beinahe das Herz gebrochen


Charlie hat uns beinahe das Herz gebrochen

Kürzlich waren wir mitsamt unserem Wohnwagen und natürlich Charlie, der bei allen Unternehmungen dabei ist, verreist. Es war nicht nur warm, sondern heiß. Als wir auf unserem gebuchten Camping-Platz angekommen waren, hatten wir die Wahl zwischen einem

Platz an der Sonne (und zwar einem von jedem Mittag bis zum Sonnenuntergang) oder einem Platz, an dem ab mittags Schatten war. Bereits bei der Ankunft war klar, was es besonders für Charlie bedeuten würde, falls wir einen Standort in der Sonne wählen würden: Qual! Er verträgt allzu große Hitze nur in kleinen Dosen. Immerhin ist er herzkrank.

Der Schattenplatz hatte allerdings einen klitzekleinen Nachteil: trotz eigener Sat-Anlage mit allem Drum und Dran gab es dort wegen der vielen Bäume keinen TV-Empfang. Auf dem Laptop bin ich eine Hochgeschwindigkeits-Schreiberin, auf dem Smart-Phone selbst beim SMS-Formulieren lahmer als eine Schnecke.

Es war erholsam, zwei Wochen ohne TV zu sein - aber es machte auch die Aufladung meines Internet-Sticks überflüssig. Über mein Smart-Phone gehe ich nie ins Netz. Meine Blog-Beiträge darüber zu schreiben, wäre - wie erwähnt - unmöglich für mich.

Soviel nur nebenbei und zu dem Standort, an dem dann beinahe etwas Schreckliches passiert wäre ... obwohl das, was passierte, schrecklich genug war.




Charlie muss sich erst einmal zurechtfinden

Mit der Umgebung und dem naturgemäß kleinen Platz in einem Wohnwagen (obwohl dieser für eine Art von Hunde- samt Menschen-Hütte recht groß ist), fremdelte Charlie ein, zwei Tage. Nur noch ein Hundebett anstatt drei. Nur noch ein paar Quadratmeter anstatt großzügigen vielen.

Aber er hatte uns, und das schien ihn recht schnell zu beruhigen. Man lebt auch in der kleinsten Hütte zufrieden, wenn man nicht allein ist und die liebsten Menschen um sich hat - mag er sich in seinem Hundeköpfchen gedacht haben.

Wir waren viel und meistens zu Dritt unterwegs, und wie immer gehorchte er unterwegs auf mein Wort. Leider nicht auf eines meines Mannes.

Aber da Charlie der liebste und folgsamste Hund der Welt ist - was sollte schiefgehen, wenn mein Mann an jedem Abend mit ihm allein einen Spaziergang durch den Wald machte? Das sollte beider Bindung noch mehr verstärken.


Der Unglücksabend

Inzwischen kannte Charlie den Wald sehr gut - und an den Abenden nahm der kleine Kerl Fahrt auf, sobald er merkte, es ging zu mir zurück zum Campingplatz am Wald. Der Platz war ein paar Tage fast leer. So sah er mich schon von weitem und lief wie der Blitz zu mir. An jenem beinahe verhängnisvollen Montag, dem 23. Mai 2022, waren außer uns nur noch drei oder vier andere Wohnmobile vor Ort.

Mein Mann lief mit Charlie auch an diesem Abend durch den Wald - als plötzlich mein Telefon klingelte. "Charlie ist weggelaufen", sagte mein Mann.

Nun überschlugen sich die Ereignisse.

Ich machte mich sofort rennend auf die Suche nach Charlie. Mein Mann suchte seinerseits weiter, kam zunächst zu Fuß zurück, um mit dem Fahrrad schneller suchen zu können.

Am Wald vorbei führt eine enge Landstraße - ohne Bürgersteige, ohne Ausweichmöglichkeiten irgendwohin - außer in Gebüsche, und dorthin geht Charlie nie.


Panik

Während ich durch den Wald lief, schickte ich Stoßgebete in den Himmel. In diesen endlos langen Momenten war ich keine Agnostikerin mehr, sondern tiefgläubig. Ich war der festen Überzeugung, dass mir diese eine Bitte an den Gott, dem ich bereits in meiner Kindheit nicht so recht vertraut hatte, helfen würde.

Aber Charlie blieb verschwunden. Auf dem Campingplatz angekommen, stellte mein Mann sein Fahrrad ab und nahm das Auto, um nach Charlie zu suchen. Dass er damit kurz darauf verbotswidrig durch den Wald fuhr, kann man sicher verstehen - und wäre uns auch jedes Knöllchen wert gewesen.

Ich wollte vor dem Wohnwagen auf Charlie warten, falls er den Rückweg finden würde. Von einem benachbarten Platz kamen ein Ehepaar samt ihrem Pudel auf mich zu - sie wollten sich ihrerseits auf die Suche nach Charlie machen.

Ich war sehr dankbar, aber eigentlich hatte ich nicht viel Hoffnung ... diese gefährliche Landstraße ... Charlie war ganz sicher nicht mehr im Wald ... er lief einfach nicht ins Dickicht, sondern nur auf Wegen ... diese gefährliche Landstraße ... wie sollten sie ihn finden ...

Doch mein prominentester Gedanke war ein anderer: Charlie aus dem Tierheim mit einer traurigen Vergangenheit ... sein Leben sollte und durfte nicht an einer Landstraße zu Ende gehen! So würde es dann auch nicht passieren! Das war mehr als nur mein Wunsch, es war eine Art Gewissheit.


Die glückliche Fügung

Die zwei Frauen fuhren in einem Ghia.

Sie sahen Charlie auf der Landstraße herumstromern. Die Fahrerin des Wagens hatte zunächst Sorge, dass der kleine Ausreißer beißen könnte ... die Beifahrerin sammelte den liebsten Hund der Welt ein und nahm ihn furchtlos auf ihren Schoß.

Im beinahe selben Moment kamen die Campingplatz-Nachbarn mit ihrer Pudelhündin "Erna" an dem Ghia an. Charlies Retterinnen hatten kurz zuvor die Polizei angerufen und wollten ihn dort abliefern. Das war nun überflüssig, weil Ernas "Eltern" ihnen sagen konnten, wo Charlie hingehörte.

Mein Mann gelangte gerade dazu, als die beiden Frauen mit ihrem Ghia Charlie zu mir zurückbringen wollten. Er wiederum konnte mir telefonisch Entwarnung geben - und sogar sagen, dass Charlie unverletzt sei.

Fünf Minuten später sprang Charlie von dem Schoß der Beifahrerin zufrieden (und ohne Schuldbewusstsein, natürlich) in meine Arme. In seinen Augen hatte er wohl sein Ziel erreicht und mich gefunden. In meinen Augen war das eine Rettung knapp vor einem großen Unglück gewesen. Ich wollte meinen Charlie gar nicht mehr loslassen.

Von seinem Fortlaufen bis zu mir zurück hat es nicht viel länger als eine Stunde gedauert. Aber manchmal ist Zeit keine Erklärung für eine gefühlte "Ewigkeit".


Danke

Leider konnte ich die Anschrift der beiden Frauen nicht ausfindig machen (trotz Versuch) und mich noch einmal richtig bei ihnen bedanken. Sie hatten mir Charlie zurückgegeben und waren dann rasch wieder weggefahren. So schnell konnte ich gar nicht denken. Natürlich habe ich tausendmal "Danke" zu ihnen gesagt, aber sonst nichts weiter.

Wie gut, dass es Menschen gibt, die nicht einfach wegsehen oder vorbeifahren, wenn ein Lebewesen in Not ist (und das trotz der berechtigten Angst, dass ein Hund eben auch kräftig beißen kann).

Vielleicht gibt es noch einmal einen Zufall - und sie lesen, was ich hier schreibe. Dann melden Sie sich bitte bei mir.

Der Pudel-Mama habe ich am nächsten Tag einen Blumenstrauß gekauft. Wir hätten Charlie zwar auch ohne sie zurückbekommen, aber nicht so schnell, sondern erst nach einer Tasso-Meldung usw. durch die Polizei oder ein Tierheim. Letzteres soll Charlie aber nie wieder von innen sehen müssen ...

Daher war ich ihr und ihrem Mann und Pudel Erna natürlich ausgesprochen dankbar.


Lange Leine

An den folgenden Abenden ging mein Mann weiterhin mit Charlie allein im Wald spazieren. Aber nun musste der Stromer an die lange Leine - und es war auch Michael klar, dass Charlie selbst mit dieser Schleppleine schnellstens zu mir zurückwollte.

Wenn wir tagsüber zu Dritt durch den Wald liefen, gab es keine Fluchtversuche von Charlie. Die Anhänglichkeit eines Hundes ist grenzenlos. Er mag meinen Mann auch sehr, aber ich bin seine Nummer 1. Das betone ich allerdings nicht aus Eitelkeit, sondern viel mehr mit Traurigkeit, denn genau diese Anhänglichkeit hätte uns beinahe

alle Drei ins Unglück gestürzt und unsere Herzen gebrochen.


Dom

Am nächsten Tag habe ich nach ewigen Zeiten einmal wieder eine Kirche, in diesem Fall sogar einen Dom, betreten: es war mir ein dringendes Bedürfnis, für Charlies Rettung mehr als nur eine Kerze aufzustellen. Mein Anfangs-Gebet war erhört worden. Manchmal hat man eben sehr viel Glück. Und man weiß nicht, wie man es verdient hat. Vielleicht durch Tierliebe - oder weil ich nicht bei jedem nichtigen Anlass ein Stoßgebet in den Himmel schicke?


Guten Tag, Gruß Silvia 

 

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