Weihnachtliche Koalition von Knast und Puff
In freudiger Erwartung seines Heiligabend-Gastes hat Kopfschuss-Charlie sogar Strohsterne gebastelt. Warum er so heißt, ist vermutlich jedem klar, und von manchen wird der harte Junge auch kurz "Köpper" genannt. Auf seinem Programm steht "lebenslänglich" - und die besondere Schwere der Schuld ergibt sich aus der kalten Erbarmungslosigkeit, mit der er seine diversen Mord-Aufträge ausgeführt hat, dieser Auftrags-Killer.
Doch einmal im Jahr wird Charlie ganz weich: in der Weihnachtszeit verwandelt er sich in einen Schmusebär, der kein Wässerchen trüben kann. Sogar gebacken hat er, frei nach dem Motto: Friede, Freude, Spekulatius. Ein Wärter hat ihm Tannenzweige mitgebracht, mit denen er den "Gesellschaftsraum" im Knast geschmückt hat, denn
der Weihnachts-Engel, der in diesem Fall ein Psychiater ist, hat ihm zweifelsfrei bescheinigen können, dass er an Heiligabend Besuch empfangen darf:
Hilla arbeitet das ganze Jahr über schwer in einem Puff. Allerdings hat sich die schwere Arbeit in den beinahe letzten zwei Jahren so gut wie auf Null reduziert: ihr "Hohe Kante" ist inzwischen bis auf ein Minimum zusammengeschrumpft:
aber: sie ist geimpft, geboostert und hat seit dem Abend des 23. Dezembers einen negativen Corona-Test in der Tasche,
der ihr den Eintritt in den nahe ihrer eigenen Arbeitsstelle gelegenen Knast ermöglicht:
Ihr wurde Charlie zugewiesen. Denn natürlich ist Charlie nicht der einzige Knastbruder, der an Heiligabend Besuch von einer Hure empfangen darf - aber er ist sicher der "schwerste" all dieser Jungs. Hilla hat keine Angst vor schweren Jungs, sie hat eher Angst davor, obdachlos zu werden ... denn die Zukunft
in ihrer Branche sieht mau aus. Staatliche Hilfen hat sie nicht bekommen - sieht man von ein paar (coronabedingt) heimlich getroffenen Stammkunden ab, die dem Staat tagsüber treu dienen ... aber die bezahlen sie vermutlich am Ende doch aus ihren Privatkassen.
Die Kerzen brennen
... und stehen auf dem kleinen Tischchen, von dem ein weihnachtlicher Duft ausgeht und die Besucherzelle für eine kurze Zeit zu einem Ort wie beinahe jeden anderen an diesem einen Abend macht. Charlie hat seine besten Klamotten an, und auch Hilla sieht sehr, sehr ordentlich und feierlich aus. Zwar ist sie in ihrem Beruf tabulos, aber sie weiß sich zu benehmen.
Die Zellentür öffnet sich, die beiden stehen sich gegenüber - der schwere Junge genau so schüchtern wie das leichte Mädchen.
Ich schließe diese Tür sofort wieder, denn alles, was nun passiert oder auch nicht, ist das Geheimnis der Heiligen Nacht. Und wir wollen schließlich nicht stören ...
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