Samstag, 16. September 2017

16. September 2017 - Spuk in einem kleinen Antiquariat



Spuk in einem kleinen Antiquariat

Die Nordsee ist stürmisch in dieser Nacht, und man hört die Wellenschläge bis hinüber auf die andere Straßenseite, die Strand und übrige Welt trennen, dort, wo Senta ihr kleines, aber gemütliches Antiquariat führt. Eine Kaffeetasse steht noch auf Sentas Schreibtisch, eine Whisky-Flasche direkt daneben - denn sie ist für alle Sentimentalitäten gerüstet. Manchmal betreten Kunden ihren Bücherladen - und es kam schon vor, dass jemand vor einem Regal stand und zu weinen begann: Er oder sie hatten dann zum Beispiel das Lieblingsbuch von Vater oder Mutter gefunden, und die Erinnerungen überkamen sie wie Nordsee-Wellen im Herbst.

Nach eben solchen Ausbrüchen schenkt Senta ihren Kunden gern einen Whisky ein, damit die Brise nicht zu emotional endet.

Heute hat Senta ihren Laden bereits geschlossen, und als es langsam auf Mitternacht zugeht, öffnen sich ein paar Buchdeckel und

plötzlich stehe Ernest Hemingway im Raum. In der einen Hand hält er ein Gewehr, die andere greift nach der Whiskyflasche. Da packt im Rausch der langen Nacht eine andere Hand nach der Flasche, und die gehört Johannes Mario Simmel.

Die zwei Männer betrachten sich und gönnen sich ein Gläschen. Johannes Mario kennt den Mann mit dem Gewehr,

während dieser den deutschen - na ja - Kollegen nicht kennt.

Ferdinand Sauerbruch entsteigt einem anderen antiquaren Buch und bemüht sich, den Whisky zu ignorieren, indem er beide darauf aufmerksam macht, dass Alkohol keine Lösung ist. Währenddessen tönt Ernest laut, dass niemand

eine wirklich Qualifikation für das Lebensende

besitzt - und schon gar nicht darüber hinaus. Er nimmt einen tiefen Schluck aus seinem Glas und erkennt richtig, dass er

ohnehin bereits gestorben ist.

Dem kann auch der Professor aus der Charité nichts entgegensetzen.

Professor Barnard entsteigt seinen Memoiren und stößt mit allen auf die Herz-Chirurgie an, die er so revolutionär auf Vordermann gebracht hat.

Doch William Shakespeare kommt hinzu und ist sauer, denn er befindet sich in einer Buchhandlung, und zwar in einer der alten Bücher,

doch niemand spricht über

Literatur.

Er sei der Größte, meint Meister Shakespeare - aber das interessiert niemanden mehr

als Petrus der

Bibel entsteigt, dem Buch der Bücher.

Davor haben selbst die vielen anderen Respekt, die heute noch aus ihren Büchern in die tiefe Nacht  steigen

und

allesamt etwas zu vermelden haben.

Am Ende liegt die wohl illustreste Gesellschaft, die je die Wellen der Nordsee gehört haben, in den Seilen, denn

es tut so gut, sich nach dem Tod

noch einen genehmigen zu dürfen.

Und Ernest hat nicht einmal einen einzigen Schuss aus seinem Gewehr abgegeben ...



Copyright: Silvia Gehrmann


Guten Tag, Gruß Silvia

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