ich habe dich abgetrieben - und vielleicht auf die brutale Art. Nicht durch einen ärztlichen Eingriff, sondern durch den Griff zu einem bestimmten Medikament. Das werde ich hier nicht nennen, denn heute gibt es legale Abbrüche, die wesentlich unkomplizierter und vor allem gesundheitlich unbedenklicher sind.
Ich rate auch niemandem, nach diesem Medikament zu suchen. Heute gibt es bessere Möglichkeiten.
Erlaubt wurde ein Abbruch erst ab 1995, straffrei ist ein Abbruch erst seit dem Jahr 2002.
Mein Kind war ein Junge, und ich habe ihn im Nachhinein "Maurice" genannt. Genau so heißt er auch in meiner Erinnerung.
Es war nicht so, dass ich keine Hilfe gehabt hätte - denn sowohl meine Eltern und vor allem meine Oma standen mir zur Seite und hätten mir geholfen, den kleinen Jungen großzuziehen. Warum ich mich
gegen ihre Hilfe und gegen meinen Sohn entschieden habe, ist natürlich für Außenstehende nicht nachvollziehbar.
Aber: ich wollte keine Mutter sein, denn ich war noch sehr, sehr jung damals. Vermutlich
fühlte ich mich maßlos überfordert mit der Aufgabe, Mutter zu werden und dann zu sein.
Klinik
Von diesen Tabletten habe ich am 1. Tag eine und am 2. Tag 2 genommen, und schon landete ich im Krankenhaus, denn
der Abort musste in einer Klinik behandelt werden, um mein Leben nicht zu gefährden. Das war für einige Klinik-Angestellte, die mich damals verdächtigt haben, schuldig zu sein, nicht einfach.
Aber ich blieb trotz großer Schmerzen standhaft geständnislos.
Der Chirurg war freundlich und verständnisvoll mir gegenüber - ganz im Gegensatz zur vorherigen Behandlung durch
Krankenschwestern und andere Ärzte. Die haben mich ziemlich lange auf einer Trage in großen Schmerzen regelrecht schmoren lassen, als wollten sie mich schuldig sprechen. Sie wollten sogar ein "Geständnis" von mir erpressen.
Schuldig war ich in gewisser Hinsicht auch. Aber auf der anderen Seite war ich erst 18 Jahre alt.
Die Wehen einer Geburt spürt man auch bei einer Fehlgeburt. Manche sagen, die seien sogar noch stärker als bei einer regulären Geburt.
Reue?
Zu meinem Glück habe ich bis heute niemals Reue darüber empfunden. Meine damalige Entscheidung ist nicht aus irgendeiner
vielleicht vorübergehender Laune entstanden, sondern aus echter Zukunftsangst.
Die konnte mir auch die Hilfe meiner Familie nicht nehmen. Vielleicht hätte ich auch m e i n Kind nicht meiner Oma oder Mutter überlassen wollen,
so genau weiß ich das nicht mehr.
Damals habe ich aus dem bestem Gewissen gehandelt, aus dem ich handeln konnte. Und es war mir zu der Zeit und auch heute bewusst, dass ich einem Leben die Chance genommen habe, auf die Welt zu kommen.
Heute
muss ich ebenso dazu stehen, wie ich es damals getan habe - und meinen "Maurice" um Verzeihung bitten, ohne mir selber etwas zu verzeihen zu haben.
Heute könnte "Maurice" ein gestandener Mann sein, der seine Mutter achtet oder vielleicht auch nicht, denn, wer weiß schon, wie die Zukunft seiner Kinder aussieht.
Sein Weg könnte mir gefallen haben oder missfallen. Wir könnten ein gutes, ein mittelmäßiges oder schlechtes Verhältnis zueinander haben,
denn alles hätte nicht an mir allein gelegen, sondern an dem Zusammenspiel zwischen Mutter und Sohn.
Für alles Negative hätte ich allerdings eher mir die Schuld gegeben.
Manchmal
vermisse ich "Maurice", aber schuldig fühle ich mich trotzdem nie. Und ich bin ganz bestimmt nicht abgebrüht.
Heute kann ich nur sagen, dass ich hin und wieder gern gewusst hätte, was das Leben aus uns beiden und miteinander gemacht hätte.
Er bleibt vor allem mein Kind, auch, wenn er nie geboren werden durfte.
Sein Leben endete vor dem 3. Monat auf einem Operations-Tisch. Sein Geschlecht wurde nach der Operation festgestellt.
Ich habe später keine Kinder bekommen, weil ich es so wollte.
Guten Tag, Silvia
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