Freitag, 27. Dezember 2024

27. Dezember 2024 - Hape Kerkeling "Gebt mir etwas Zeit"


Buch-Kritik
Hape Kerkeling
Gebt mir noch etwas Zeit

Hier muss ich weiter ausholen und unterscheiden zwischen dem vielfältigen, interessanten und talentierten komödiantischen Schaffen und der stetigen Neuerfindung eines Mannes und der Veröffentlichung seines

letzten Buches. Aus Recklinghausen stammend,

das sich im tiefen Ruhrgebiet befindet, hat er es heraus aus der "Provinz" ins allgegenwärtige TV geschafft und sich einen Namen gemacht. Er ist der Entertainer, der jedem und auch sich selber den Spiegel vorhalten kann. Und wenn es ihm gefallen - oder auch manchmal nicht gefallen hat - hat er anderen gezeigt, auf was man alles hereinfallen kann, wenn es die Umstände ergeben.

Er war eine überzeugende Königin Beatrix, was schon mal beachtlich für einen "Jungen" aus Recklinghausen ist, und und und ...

wer war er eigentlich noch nicht auf seinem Weg durch die deutsche Fernseh-Landschaft?

Im Grunde liegt sein Talent den nur sehr ursprünglichen "Ruhr-Pottlern" tief im Innern, aber nicht jeder von ihnen ist natürlich gleichzeitig so öffentlichkeitsorientiert wie ein Mann, zwischen dem und seinem Publikum kein Blatt passt.

Und, wenn ich einen großen Inhalt des Buches erinnere, so fühlt er sich auch nicht als einer aus dem Ruhrgebiet, sondern als

Amsterdamer.

Das ist eine schöne Geschichte, aber sie zeugt auch davon, dass Menschen sich nur zu gern ausmalen, dass sie anderswo lieber geboren worden wären. 


Outing als Homosexueller

Wie viele, die dieses oder auch andere Geheimnisse gern für sich behalten hätten, kann solch eine Tatsache nicht auf Dauer geheim bleiben. Hape und gleichzeitig Alfred Biolek wurden von

Rosa von Praunheim geoutet. - Schande auf Praunheim! Das war nicht seine Aufgabe!

Von Biolek haben es vielleicht genau so viele Menschen bereits vorher geahnt wie von Hape Kerkeling. Wer weiß.

Zum Glück hat es keinem von beiden geschadet, vielleicht sogar im Gegenteil genutzt. Die Welt wollte sich womöglich endlich als offen outen. Mich hat die

sexuelle Orientierung eines Menschen noch nie interessiert. Und

Hape Kerkelings großartige Leistungen im TV als Entertainer nehme ich vielleicht erst zu seinem 60. Geburtstag richtig wahr. Zwar kannte ich einige "Sachen" von ihm, aber nicht viele - und ich kannte leider nicht seine vorherigen Bücher.


Das Buch "Gebt mir noch etwas Zeit"

Denn dieses Buch enttäuscht mich: die Corona-Zeit hat er genutzt, um Ahnenforschung zu betreiben. Zur gleichen Zeit waren andere Künstler ratlos, wie es weitergehen könnte.

Vermutlich war er schon immer derjenige, der sich gedacht hat "Mach einfach mal" - was auch richtig ist. An negative

Konsequenzen muss er schon lange nicht mehr denken.

Wie diese aussehen könnten? Zum Beispiel, dass nur wenige Leute sein Buch kaufen. Vor allem die, denen seine Vorgänger-Werke sehr gut gefallen haben, erwerben dieses wie selbstverständlich.

Leider kenne ich nicht "Ich bin dann mal weg ..." und "Der Junge muss an die frische Luft" kenne ich nur als Film.

Alles, was er schreibt, klettert zu Bestsellern. - In diesem Fall ...

unverdient.

In einer TV-Sendung über sein Leben hat er mehr über sein Inneres preisgegeben als in diesem Buch. 

Eine seiner großen Lieben war der Holländer Duncan. Hape meint, man könne mehrere haben. - Darin stimme ich mit ihm überein. Absolut.

Bevor er Duncan in Amsterdam kennenlernt, lernt die Leserin seine riesige Liebe zu Amsterdam kennen. Die geht über die Liebe zu seiner Heimat-Region weit hinaus,

was nicht weiter verwerflich ist, allerdings ein wenig von

Herkunfts-Scham

spricht.

Die, obwohl er sie nie so nennt, begründet er mit der Tatsache, dass ein

Gen-Test

holländische Vorfahren ergeben hat.


Alles ist besser als aus dem Ruhrgebiet zu stammen

Denke ich auch manchmal. Aber dann weiß ich, dass das Gebiet mir sowohl die Kodderschnauze als auch die gewisse Zurückhaltung mitgegeben hat. Hape Kerkeling

sieht sich als Voll-Amsterdamer.

Das ist in Ordnung.

So wie seine Liebesgeschichte mit Duncan. Die gefällt mir. Aber als Leserin, die ein Buch für immerhin

24 Euro erwirbt,

fehlt mir doch eine ganze Menge an dieser Story, die nicht mehr als angerissen ist. Und traurigerweise mit Duncans Aids-Tod endet.


Hape erzählt nicht viel über sich

in diesem Buch und das auch nur tröpfchenweise. 

Die gesamt Duncan-Hape-Story ist so dünn wie ein Drink, der in einem Kindergarten serviert wird.

Aufgefüllt sind die Buchseiten überwiegend mit womöglich erdachten Geschichten aus vergangen Jahrhunderten seiner niederländischen Vorfahren, so auch die Story um die Herkunft seiner

Oma Berta,

die eine - damals nannte man das so - uneheliche Tochter von König Edward VII, genannt Bertie, aus dem englischen Königshaus gewesen sein soll.

Vielleicht stimmen die Nachforschungen samt Gen-Test, vielleicht sind sie nur dem Traum eines genialen Entertainers entsprungen, der jetzt 

über die Stränge schlägt.

Ich weiß es nicht.


Das Buch

allerdings ist größtenteils ziemlich und ausgesprochen langweilig.

Wenn ich ein Buch von Kerkeling über Kerkeling kaufe, möchte ich keine Inhalte über hauptsächlich  niederländische und womöglich fiktive Vorfahren-Geschichten lesen.

Über sein eigenes Leben gibt er nicht viel mehr preis als ein Minimum, damit sich der Schinken verkauft. Ich bin enttäuscht. 

Wir im Ruhrgebiet sind nicht so. Wo "wir" draufsteht, ist auch "wir" drin.


Guten Tag, Gruß Silvia



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