Samstag, 13. Mai 2023

13. Mai 2023 - Momos Geheimnis



Momos Geheimnis

Wenn sie sprechen könnte, würde sie es mir vielleicht in einer besonders anlehnungsbedürftigen Minute, die sich sicher über Stunden hinwegziehen würde, erzählen. Aber natürlich kann sie nicht sprechen, und so bleibt ihr früheres Leben auf immer ein Geheimnis für mich - und allen anderen, die sie inzwischen lieben und gern mehr über ihre Vergangenheit erfahren würden.

Warum sie in der Obdachlosigkeit gelandet ist, würde ich im Falle, dass sie es mir erzählen könnte, ebenso erfahren wie den Grund für ihre körperliche und gesundheitliche Verwahrlosigkeit, mit deren verheerenden Folgen  sie Mitte Oktober 2022  aufgegriffen worden ist.

Ihren Kämpfergeist hat sie selbst in ihrem körperlich bösen und schmerzerfüllten Zustand nicht verloren und sich gegen die Rettung mit Zähnen und Pfoten und aller Kraft, die ihr noch zur Verfügung stand, gewehrt. Und ihre Kraft war noch immens - in ihren Augen war die Gegenwehr das letzte, was  sie selber für sich tun konnte.

Sie wusste schließlich nicht, dass sich Hände nach ihr ausgestreckt haben, um ihr zu helfen - und nicht, um ihr weiteren Schaden zuzufügen, sondern Beistand und Liebe zu geben. Die Polizei brachte sie ins Tierheim.

Von dort aus wurden alle notwendigen - und das waren nicht wenige - zunächst körperlichen Behandlungen in einer Tierklinik durchgeführt: Augen und Ohren waren entzündet, Zähne wurden saniert, Grannen befanden sich unter ihrer Haut (Grannen sind extrem gefährlich - und können bis in die inneren Organe vordringen), das Haarkleid war total verfilzt - und die schmerzhafte Gebärmutterentzündung kam, als wäre es noch nicht genug Leid, obendrauf.

Sie wurde recht schnell wieder gesund und konnte endlich das liebenswerte Wesen zeigen, das sie ohne Schmerzen ist.

Wo kam sie her? Wer hat sie ausgesetzt? Wer hat sie erbarmungslos  einem furchtbaren Schicksal überlassen? Denn ...

manche Hunde verstecken sich schwerkrank lieber, als sich einfangen zu lassen. Und sie sterben, oft völlig ungesehen von Menschen, die ihnen helfen würden.


Momo scheint nicht völlig unerzogen zu sein 

Das habe ich schnell gemerkt, als ich sie vor fast vier Monaten bei mir aufgenommen habe. Sie kennt die gängigen Wörter wie "Pfui", "Bleib", " Wir gehen rüber" (über die Straße) - und einige andere sind bereits hinzu gekommen, die sie blitzschnell verinnerlicht hat, wenn sie ihnen auch nicht immer folgt ...

Auch "Sitz" und "Platz" funktioniert problemlos ... "Leckerchen" sowieso.

Nun weiß ich leider nicht, wie viel von ihrem Wissen sie im Tierheim erworben hat - und welches Wissen sie bereits aus einem eventuell früher vorhandenen und vielleicht gutem  Zuhause mitgebracht hat.

Kennenlern-Foto


Kennenlern-Foto



Denn Momo ist superintelligent (das ist keine Übertreibung einer liebenden Hunde-Mutter, sondern entspringt ihrem Pudel-Wesen) - und lernt unheimlich schnell.

Daher möchte ich gerne glauben, dass sie vor längerer Zeit ein wirklich gutes Zuhause gehabt hat. Immerhin hat sie ihren Glauben an die Menschen nicht verloren und ist ihnen sehr zugewandt. Vielleicht hat sie bei einer Frau, einer jüngeren, mittelalten oder älteren, gelebt - und diese Frau ist

plötzlich verstorben, während sich niemand aus der Verwandt- oder Bekanntschaft fand, der Momo aufnehmen wollte. Oder Momo vorübergehend aufgenommen hat -

und falls doch, vielleicht mit ihrem riesigen Temperament  und auch ihrem Ego überfordert war, was dann am Ende der Grund fürs Aussetzen war. Sie hat nämlich jede Menge Power und man muss schon mit ihr mithalten können ...


Dazu schweigt Momo 

... obwohl sie das eine oder andere sicher gern erzählen würde. Manchmal kann man einem Hund an seinem Verhalten einiges aus seiner Vergangenheit ablesen (so war es bei meinem Tierheim-Hund Charlie) - aber hier kommt mir natürlich Momos schnelle Auffassungsgabe dazwischen, und ich weiß nicht, ob sie vieles von früher oder erst aus dem Tierheim oder gar aus ihrem Umgang mit mir kennt.

Auch versuchen viele Hunde, die es immer in ihrem Leben gut gehabt haben, Müll von der Straße zu fischen und wie von einem öffentlichen Buffet zu schnorren. Dass sich auch Momo darum bemüht, sagt also nicht viel aus.

Aber manchmal kaut sie auch auf blanker Erde (mit Insektenbeilage?) herum ... das kannte ich noch gar nicht. Hat sie in der Zeit der Obdachlosigkeit ihren Magen damit gefüllt, damit sie nicht verhungert?  Ich arbeite daran, ihr das abzugewöhnen, weshalb das Wort "Pfui" eine sehr wichtige Position einnimmt - und sie zum Glück sehr positiv darauf reagiert.

Und was würde ihr früheres Frauchen oder auch Herrchen denken, wenn sie oder er sehen könnte, wie schnöde sie einst nach draußen gejagt wurde, ohne Mitleid, ohne Gefühl? Würden er oder sie sich im Grabe herumdrehen ...

oder war er oder sie es selber, der ihrer überdrüssig geworden ist und munter weiterlebt mit diesem Wissen?

Alles ist möglich. Aber es ist müßig, länger darüber nachzudenken.

Jetzt geht es ihr gut, und wir sind die besten Freunde. Zwischen uns passt kaum noch ein Blatt - und wenn, dann ein ganz kleines, denn wir vertrauen einander.

Aber über ihrer Vergangenheit liegt ein Nebel:



 


Guten Tag, Gruß Silvia



Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen