Die wahren Gesichtspunkte sind Sommersprossen.
© Kuno Klaboschke (1938 - 2022)
© Kuno Klaboschke (1938 - 2022)
"Trotz" ihrer Sommersprossen ist sie ihm aufgefallen: sie, das war meine Mutter, die ihre Sommersprossen gehasst hat - und er war mein Vater, der sie geliebt hat: nicht nur die Sommersprossen, sondern Christel überhaupt, denn sie blieb zeitlebens die ostpreußische Prinzessin, die sich nach Dortmund und in ein nicht geplantes Leben verirrt hatte. - Sie war die Liebe seines Lebens. Ob das auch umgekehrt so war, kann ich gar nicht sagen. Aber ich habe niemals ein lautes Wort zwischen beiden gehört. Aber hier geht es nur um die Sommersprossen, die den einen beflügeln und die andere unglücklich machen.
Fehler sind wie Sommersprossen. Je mehr wir davon haben, um so hässlicher werden wir.
© Peter Amendt (*1944), Franziskaner
© Peter Amendt (*1944), Franziskaner
So ähnlich wie ein nicht wirklich kompetenter Pater in Betrachtung nicht-zölibaterer Lebensumstände hat meine Mutter ihre Sommersprossen allerdings auch empfunden. Schon als Kind ist sie ihnen mit diversen Hausmittelchen erfolglos zu Leibe gerückt. Dabei waren ihre Pünktchen nicht übermäßig, sondern eher spärlich verteilt und ganz bestimmt kein Makel, waren aber eines ihrer Themen, an denen sie nicht vorbeischleichen konnte.
Dann wurde ich geboren. Und ich weiß nicht mehr, ab welchem Lebensalter sichtbar wurde, dass ich ihre Sommersprossen geerbt hatte. Da funkelten einige in meinem Gesicht und einige auf meinen Unterarmen, der Rest war frei davon und nur glatte Kinderhaut. Irgendwann ist mir aufgefallen, dass meine Mutter der Ansicht war, dass Sommersprossen kein Status-Symbol, sondern ein Schönheitsfehler sein sollten.
So erbt man nicht nur einen vermeintlichen Makel, sondern auch eine große Abneigung gegen etwas völlig Normales. Immerhin war ich kein Kind, das immer nur fröhlich gesprenkelt durchs Leben hüpfte, denn ich lief durchaus einige Jahre vorsichtshalber mit dem Kopf zum Boden geneigt umher, obwohl ich wegen meiner Sommersprossen nie von anderen Kindern einen Nachteil erfahren hatte. Meine Mutter fand sie scheußlich, also empfand ich sie ebenso.
Irgendwann wendete sich das Blatt. Vielleicht hatte sie bemerkt, dass sie durch ihr scheinbares "Unglück" auch ihr Kind unglücklich machte, denn plötzlich griff sie zu einem geflügelten Wort, um meinen Blick wieder vom Boden in die Höhe zu lenken, nach dem Motto: Kopf hoch, Brust raus, gerade gehen ...
Ein Gesicht ohne Sommersprossen ist wie ein Himmel ohne Sterne.
- Unbekannt
- Unbekannt
lautete dieser mentale Glücklichmacher-Spruch.
Im Laufe der Jahre verblassten zunächst ihre Sommersprossen, ohne dass sie völlig verschwanden - heute sind auch meine beinahe nur noch für mich selber sichtbar, weil ich weiß, dass es sie gibt.
Lange hatte ich zudem geglaubt, ich hätte von meiner Mutter nur diese Flecken geerbt, aber als ich sie letztmalig in 2010 gesehen habe,
habe ich mich in ihren grün-blauen Augen und der Partie drumherum selber wiedergefunden. Warum hatte ich das früher nie bemerkt?
Bemerkt hatte ich allerdings bereits in ganz jungen Jahren, dass wir uns im Wesen gleichen, in guter und auch nicht so guter Weise.
Und heute empfinde ich Sommersprossen als das, was sie sind: sie sind selten ... oder selten geworden.
Guten Tag, Gruß Silvia
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