Meine schwulen Freunde
Man hätte uns für ein Paar halten können, wenn wir wieder einmal ein paar Bierchen in unserer Lieblingskneipe getrunken haben. Ich war etwa 20 Jahre alt, er ein paar Jahre älter - und bereits nach einem Hochschulstudium in seinem Beruf etabliert. In diesem Beruf spielte auch die Außenwirkung eine große Rolle - und da hatte Daniel ein greifbares Problem, und dieses "Problem" konnte er nicht einfach mit einem bisschen guten Willen abstellen, zumindest nicht auf eine ehrliche Art und Weise.
Daniel war (ist) schwul. Bereits seine Eltern kamen damit nicht klar, ohne ihren Sohn jedoch fallenzulassen. Sie versuchten es mit hübschen Mädchen, die sie ihm vorstellten ... natürlich ein Unterfangen, das von Anfang an zum Scheitern verurteilt war. In einem unserer vielen Gespräche dachte er laut darüber nach, dennoch zu heiraten ... damals war eine gleichgeschlechtliche Ehe noch nicht möglich ... aber laut dachte er weiter darüber nach, wie er vor einer Frau sein Schwulsein verstecken könnte ... eine ziemlich blöde Idee, fand ich. Aber die Traurigkeit lag eher darin, dass er als schwuler Mann überhaupt genötigt war, über eine Täuschungs-Ehe nachzudenken.
Mit offenen Karten zu spielen, hielt er nicht für möglich. Er war schon fast bereit, das volle Programm durchzuziehen.
Er hat es am Ende nicht getan. Oder zumindest nicht in den Jahren, als wir miteinander befreundet waren. Und er hatte genug Selbstbewusstsein, um sich nicht als Betrüger in eine Geschichte zu verwickeln ... die alle nur unglücklich gemacht hätte.
Daniel lebte damals in einer großen Wohnung in unserer gemeinsamen Heimatstadt Dortmund. Diese Wohnung konnte man mit Fug und Recht als ein "offenes Haus" betrachten. Beinahe immer waren Gäste anwesend, die auch manchmal tagelang blieben. So wie vier seiner holländischen Freunde, die sogar wochenlang blieben - und mit denen auch ich in guten Kontakt kam.
Es gab viele Feste in Daniels "offenem Haus", und sie alle verliefen sorglos und lustig und waren voller Freude für uns alle. Hier konnten Daniels viele Freund ihre persönlichen Probleme vergessen - und auf eine bessere Zukunft für die Akzeptanz ihrer Lebensweisen hoffen. Es ist ja nicht so, dass Menschen sich aussuchen können, ob sie heterosexuell oder schwul sind.
Daran gibt es nichts zu deuten.
Es war eine ausgesprochen schöne Zeit in meinem Leben, als ich in diesen inneren Zirkel vordringen durfte. Wenn ich mich auch an manches gewöhnen musste: einige von ihnen und privat untereinander und fern von allen Konventionen waren schon recht tuntig ... in ihrem vereinsgroßen Paket fühlte ich mich manchmal wie die einzige Erwachsene, obwohl ich von allen die Jüngste war.
Ich denke gern an diese Zeit zurück. Sie hat mich noch ein wenig mehr Toleranz gelehrt. Eine Toleranz, die ich bereits aus meinem Elternhaus kannte.
Irgendwann haben wir uns leider - in alle Winde verstreut - aus den Augen verloren. Nicht beabsichtigt, nicht geplant, es war eben das Leben, das dies passieren ließ.
Ich habe Daniel und einige andere nicht vergessen.
Guten Tag, Gruß Silvia
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