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Adel verpflichtet vernichtet
Auf mehr als 500 Seiten tröpfelt es schwer im Gebälk der englischen Paläste, wenn Harry vom Leder zieht, seine Sicht der Dinge beschreibt - und in so manche selbst zusammengeschusterte Falle tappt, die er wohl mangels Intelligenz nicht umgehen konnte.
Wort für Wort entfernt er sich mehr von seiner Familie, in der Uhren anders ticken als in gut bürgerlichen. Glaubt man Harrys Anfangsworten in seinem Werk, dann hätten sie das Machwerk einfach und simpel vermeiden können, wenn sie nur mit ihm geredet hätten ...
So schreibt er:
Sie hörten mir nicht zu
und deshalb:
Pa? Willy?
Welt?
Bitte sehr!
Das Buch habe ich nicht oder noch nicht gelesen, sondern nur einen "Blick ins Buch" geworfen. Der Blick endet vermutlich dort, wo es wirklich brenzlig für seine Familie wird - oder er zumindest beabsichtigt, dass diese endlich das Fürchten lernt.
Harrys Ghostwriter J. R. Moehringer, 58, schreibt einen flotten, angenehmen und gut lesbaren Stil, der mich durchaus veranlassen könnte, "Reserve" käuflich zu erwerben, obwohl mich Harrys Leben und die scheinbar bitteren Erfahrungen, die der Prinz machen musste, nicht wirklich interessieren.
J. R. Moehringer fasst Harrys Verzweiflung nach dem Tod der Mutter in Worte, die bei einer Leserin Mitleid erregen können - und es ist natürlich dramatisch, wenn Kinder so jung ihre geliebte Mutter verlieren.
Dass Harry als Ersatzmann auf dem früher 2. Platz hinter seinem Bruder William stand, ist allerdings keine Alleinstellung, für die man ihn besonders bedauern muss.
Dass dieser Ersatz am Ende sogar einem physischen Ersatzteillager gleicht, ist natürlich eine andere Geschichte: wenn nötig, hätte er William nicht nur Blut spenden müssen (das ist ja keine große Sache), sondern auch Knochenmark oder sogar eine Niere. - Aber Harry sei mit diesem Wissen konfrontiert worden und aufgewachsen, ohne sich großartig viele Gedanken darum zu machen.
Hat er sich viele Gedanken gemacht, bevor er Moehringer mit dem Texten seiner Biografie beauftragt hat? Und hätte der ältere Moehringer ihn nicht von dieser oder jenen Offenbarung abhalten können?
Im Afghanistan-Krieg will Harry 25 Taliban getötet haben! Selbstverständlich bedient er hier die Neugier Außenstehender, die noch nie von einem anderen Soldaten dieses Zeitalters ähnliches erfahren haben, aber auf der anderen Seite rückt er sich, seine geliebte Meghan, seine Kinder und auch den Rest der Familie damit in den Fokus möglicher Racheanschläge.
In den weiteren Passagen, die nicht mehr durch "einen Blick ins Buch" abgedeckt sind, die aber in diverse Zeitungen Einzug gehalten haben, hebt er Meghan geradezu in den Himmel, der sich hoffentlich niemals verdunkelt, aber überall ziehen irgendwann Wolken auf und es wird Nacht ...
Meghan habe an Dianas Grab meditierend um Beistand gebeten. Ich sehe in solch einer Szene eine ehrgeizige Schauspielerin, die endlich mal eine Hauptrolle in einem Block-Buster ergattern will - und wenn sie dafür auf die Knie sinken muss (oder sich an einen Prinzen heranschmeißen musste). - In einer anderen Passage will Prinz Harry selber mittels einer Seherin mit seiner Mutter kommuniziert haben.
Meghan und Harry haben einander wirklich verdient.
Es ist nur die Frage, wer in ihrem theatralischen und absurden Schauspiel die Regie führt.
Ein trotziger Sohn eines Königs hofft auf Mitleid - und wenn die Leser einmal den guten Stil des Ghost-Writers außer Acht lassen, dann ist das Buch eine einzige Litanei darüber, wie sehr ihnen beiden Unrecht geschehen ist. Sie sind die Opfer! Sie haben alles richtig gemacht! Die ganze Mischpoke soll sich bei ihnen entschuldigen!
Auf seine Stiefmutter Camilla hat Harry ein besonderes Auge: sie habe mit der Presse kollaboriert.
Das war doch eigentlich die Paradedisziplin seiner Mutter Diana. Diese hat eng mit der Presse zusammengearbeitet, wenn es ihr passte und sie etwas Bestimmtes platziert haben wollte - und dass die Presse sich dann auch auf sie gestürzt hat, als es ihr nicht passte - kann man es ihr verdenken. Presseleute leben eben davon ...
Nun leben Harry und Meghan davon, die Familie durch den Kakao zu ziehen - oder eher durch den Dreck.
Fazit
Harry hat den Ausverkauf seines eigenen Lebens gestartet, als er mit seiner Lieblingsschauspielerin England verlassen hat - und den lässt er sich nun vergolden, denn versilbern wäre ein viel zu schwacher Ausdruck dafür, dass jetzt alles - fast alles - auf den Tisch kommt, damit das Tischtuch endgültig zerschnitten werden kann.
Fast alles - denn Harry hat gedroht, dass es Dinge gibt, die in seinem Buch nicht vorkommen, die die Öffentlichkeit aber schwer erschüttern würden ... der arme Kerl muss an seine Zukunft denken und noch ein paar Handgranaten auf Reserve behalten.
Eigentlich warte ich nur auf das Buch, dass Harry eines Tages über Meghan schreibt - und auf das, das Meghan über Harry zusammenschustert.
Bis dahin sollen sie in ihrem ureigenen Wolkenkuckucksheim residieren. Aber es ist bekannt, dass solche Heime sehr zerbrechlich sind und keinen großen Stürmen standhalten.
Nachdem ich das hier alles geschrieben habe, habe ich mich entschieden, dieses Buch nicht zu kaufen. So kann ich vielleicht verhindern, dass sie sich vom dem Kaufpreis, den ich entrichten müsste, eine Rolle goldenes Toilettenpapier kaufen können.
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