Freitag, 16. Oktober 2020

16. Oktober 2020 - Meine alte beste Freundin

 

Meine alte beste Freundin

Vielleicht war sie meine beste Freundin überhaupt, obwohl sich unsere Wege nach ein paar Jahren für immer getrennt haben. Sie hieß Gabi,

und ich traf sie, nachdem ich aus rein wirtschaftlichen Gründen seitens des Internats dieses verlassen musste,

um wieder in Dortmund zur Schule zu gehen. Die Nonnen hatten ein lukratives Angebot für das Grundstück mitten in Brilon Stadt (es gibt auch ein Brilon Wald) bekommen, dem sie nicht widerstehen konnten. Der alte (Internats-) Kasten wurde abgerissen, und auf dem begehrten Gelände entstand etwas Neues.

So kam ich in eine Klassengemeinschaft in einer Dortmunder Schule, die bereits seit Jahren bestand - und in der ich die Neue war. Für mich bedeutete dies im Vorfeld jede Menge Bauchschmerzen. Meine Sorge jedoch war weniger begründet als völlig natürlich.

Spätestens als sich herausstellte, dass ich keine Streberin war und nicht der Versuchung unterlag, irgendeinem Lehrer besonders gut gefallen zu wollen - war ich in der Klasse "angekommen" und aufgenommen.

Es folgten wunderbare letzte Schuljahre, die mich über den Verlust meines auch sehr geliebten Internats hinwegtrösteten.

Und in dieser Klasse war

Gabi

Jahrelang (auch noch nach der Schulzeit) standen wir uns in unablässigem, oberflächlichem Geschwätz sowie tiefschürfenden Gesprächen freundschaftlich zur Seite. Mehr noch klebten wir wie zwei Buchseiten aufeinander, und wir dachten nicht, dass jemand diesen Klebstoff je lösen könnte.

An jedem Freitag machten wir die Innenstadt so unsicher wie es in unseren Händen lag und hatten den Spaß unseres Lebens dabei. Überall kannte man uns nur als Doppelpack,

und das waren wir, obwohl wir vom Wesen her recht unterschiedlich waren. Gabi war die Extrovertierte, ich eher das Gegenteil davon. Aber wie sagt man so schön? - Wehe, wenn man sie von der Leine lässt!

Für uns war es auch kein Problem, wenn die Verknalltheit sich auf denselben Typen konzentrierte, obwohl ich darüber hier und jetzt nicht ins Detail gehe.

Wir waren ein Herz und eine Seele, ein Kopp und ein Arsch wie man in Dortmund sagt - und dennoch gab es am Ende etwas, das uns trennen sollte.


Der Mann

Irgendwann trat er in Gabis Leben. Das war abzusehen, normal und von mir akzeptiert, auch, wenn ich ausgerechnet diesen nicht besonders mochte. Vielleicht war ich aber nur eifersüchtig und hätte mich im Laufe der Zeit gut an ihn gewöhnen können, was ich allerdings heute noch nicht glaube.

Dazu kam es dann auch nicht.

Eines Abends stand er vor meiner Tür - ohne Gabi -. Eigentlich wollte ich ihn gar nicht rein lassen, denn mir schwante, dass mit ihm ein Unheil meine Wohnung betreten würde. Ich hätte das gar nicht genauer beziffern können, es war mehr ein Bauchgefühl.

So schnell es ging, bugsierte ich den aufdringlich gewordenen Kerl wieder nach draußen.

Heute wüsste ich, was man in solch einem Fall im Anschluss daran, und zwar schnell, macht. Damals fand ich seinen Gesamt-Auftritt ausgesprochen peinlich, auch für mich. Und ich überlegte vermutlich ein paar Tage zu lange,

um die Entscheidung zu treffen, Gabi davon zu erzählen.

Zu dem Zeitpunkt hatte er ihr bereits davon erzählt, aber das in einer Version, die so überhaupt nicht stattgefunden hatte und die mich in eine Position drängte, in der ich nie gewesen war.


Wem kann ich glauben

Gabi steckte in einem Dilemma und äußerte dies auch: Auf der einen Seite war ich ihre beste Freundin, auf der anderen Seite liebte sie diesen Mann.

Das Leben hat mich gelehrt, wer dabei auf der Strecke bleiben muss. Das ist in ähnlichen Geschichten nicht anders.

Gabi war geneigt, meiner Version zu glauben - die auch die richtige war. Ich hätte heute (aber damals auch nicht)  keinen Grund der Welt, hierüber die Unwahrheit zu sagen.

Aber er hatte die längeren Umarmungs-Besänftigungs-Arme, die überzeugenderen Argumente.

Langsam, nicht sofort,  zerbrach unsere Freundschaft. Er hatte einen Stachel zwischen uns gesät, und der arbeitete permanent an dem Ende unserer tiefen Verbundenheit und löste die zwei verklebten Buchseiten für immer.

Aber ehrlich gesagt, auch wenn sie nicht zerbrochen wäre, hätte es in Zukunft nie ein unbeschwertes Zu-Dritt  gegeben. Für mich war der Typ "gestorben", während Gabi mit ihm ihr Leben verbringen wollte.


Gabi

Etwa in 2013 oder 2014 waren viele Jahre vergangen, als ich mich auf die Suche nach Gabi machte. Ihre alte Telefon-Nummer stimmte nicht mehr. Aber nun gab es schließlich das Internet, und ich googelte.

Was ich fand, machte mich traurig: Gabi war sehr früh und jung, schon in 2008, gestorben.

Ruhe in Frieden, liebe Gabi. Ich habe dich nie vergessen.


Guten Tag, Gruß Silvia 


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