Samstag, 26. Februar 2022

26. Februar 2022 - Johannes: mein (mir) unbekannter Onkel

Meine Oma mit ihren 3 Söhnen, Johannes ist der älteste


Johannes, mein (mir) unbekannter Onkel

Es gibt Fragen, die man nachträglich nicht mehr stellen kann, weil niemand mehr lebt, der sie beantworten könnte - oder Johannes, meinen mir unbekannten Onkel, gekannt hätte. Er starb im Jahr 1945 im Alter von 21 Jahren,

und er war der ältere Bruder meines Vaters. Mein Vater hatte den gewissen Grad seiner Verschwiegenheit vermutlich von meiner Oma, seiner Mutter,  "geerbt" und hätte nie von sich aus (und zu mir) über den Bruder erzählt. Er hat ihn sicher geliebt, aber er hüllte sich gerne in Schweigen, wenn es um wichtige Ereignisse seines Lebens ging. Meine Mutter kannte ihren Schwager überhaupt nicht. Die einzige Tante, die noch lebt und mit dem jüngeren Bruder meines Vaters verheiratet war, kannte ihn ebenfalls nicht.

Selber leide ich vermutlich an einer Art "Unvermögen, zu viele Fragen zu stellen" - und habe weder bei meiner Oma noch bei meinem Vater je nachgehakt.

Doch schon lange Jahre plagen mich die unbekannten Erinnerungen an den mir unbekannten Onkel. Es gibt eine Anzahl an Fotos, aber ich bin mir nicht sicher, auf welchen Johannes abgebildet ist: nur von einem Foto weiß ich, dass er darauf zu sehen ist (siehe oben - ich kenne den Ort, an dem dieses Foto aufgenommen wurde, sehr, sehr gut aus viel späteren Zeiten). Es ist alt, verblichen und er ist nicht deutlich zu erkennen. Das Foto kann mir also keine Antworten geben.

Meine Oma hat lediglich erzählt, dass ihr "Hans" mit 21 Jahren an einer schweren Krankheit verstorben sei.

Das jedoch ist überhaupt nicht sicher. Vor etwa 13 oder 14 Jahren habe ich meine Mutter (sie ist in 2010 verstorben) nach Hans gefragt - in der Hoffnung, dass mein Vater wenigstens ihr über den Tod seines Bruders mehr erzählt hat.

Das hatte er offensichtlich, und aus dieser Sicht stellte sich Johannes' Tod etwas sehr anders dar.

Es war in der Zeit des 3. Reichs, als Johannes Vater Silverius es sich gehörig mit den Nazis verdarb. Es ist davon auszugehen, dass Johannes ein eingeweihter Helfer war. Das war zwar alles im Untergrund, aber offenbar sind diese "Vergehen pro Menschlichkeit" den Verbrechern bekannt geworden.

Was genau mein Opa Silverius damals getan hat,  hat auch meine Oma mir einst erzählt. Sie hatte deswegen große Angst um ihren Mann und die Söhne. Die Geschichte selber lasse ich außen vor. 

Lt. meiner Mutter wurde Johannes von den Nazis ermordet.

Meine Mutter hat mich nie belogen. Aber meine Oma eigentlich auch nicht.

Obwohl ich dazu tendiere, in diesem speziellen Fall meiner Mutter, die das voller nachträglichem Ekel auf die Nazis erzählt hat, zu glauben.

Eine Mutter wie es meine Oma war, konnte vielleicht mit der Tatsache, dass ihr Sohn nicht eines natürlichen Todes gestorben war, so wenig klarkommen, dass sie die Wahrheit so weit nach hinten verdrängt hat, bis sie an ihre gewobene Legende selber geglaubt hat.

Nach dem Tod meiner Mutter - in 2010 - fragte ich meine noch lebende Tante - die Frau des jüngsten Bruders meines Vaters - ob sie die Version über Johannes' Tod kennt, die meine Mutter mir erzählt hat.

Sie kannte sie nicht. Was allerdings nicht verwunderlich ist, denn ihr Mann Franz war damals noch ein Kind und war viele Jahre bis zum Kriegsende überhaupt nicht in Dortmund,

sondern zu seiner Sicherheit nach Baden Baden gebracht worden. In dieser schweigenden Familie hat man vermutlich auch dem zu der Zeit abwesenden Sohn nie etwas erzählt - um ihn mental zu schützen.

Schade, dass ich diesen zweiten Onkel nie kennen gelernt habe. Aber dazu hätte er den unsinnigen Krieg überleben müssen ...


Guten Tag, Gruß Silvia 


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