Samstag, 31. August 2019

30. August 2019 - Der Ahnenpass meiner Mutter Christel Gehrmann



Der Ahnenpass meiner Mutter

Am 18. Mai 1940 wurde dieser Ahnenpass ausgestellt. Es hat 70 Jahre gedauert, bis er in meine Hände fiel. Das war 2010, in diesem Jahr ist meine Mutter verstorben. Ich fand ihn bei ihren Unterlagen, denn zuvor hatte ich keine Ahnung, dass sie das "Dokument" aufgehoben hatte, noch, dass sie dieses besaß.

Zeit ihres Erwachsenenlebens hat sie versucht, die Nazizeit aufzuarbeiten und hat Unmengen an Literatur dazu gewälzt. Manchmal hat sie ein paar Jahre Pause gemacht, weil sie sich der Gegenwart stellen musste und ihr einfach die Zeit und die Muße fehlten, nicht nur in den Büchern zu blättern, sondern sie auch inhaltlich zu begreifen.

1930 in Allenstein geboren, ist sie 1944 mit ihrer Mutter über die Ostsee nach Dänemark geflüchtet. Dort ist sie in einem Lager, das für manche Ostpreußen schlimmer als der Krieg war, ein Waisenkind geworden (denn etwa zur gleichen Zeit "fiel" auch ihr Vater. Keiner ihrer drei Brüder überlebte den Krieg.): Ihre Mutter starb an Typhus. Meine Mutter überlebte diese Krankheit, war aber über Jahrzehnte Dauerausscheiderin - und somit und später beim Gesundheitsamt Dortmund registriert. Regelmäßig wurden Stuhlproben genommen. Sie hat nie jemanden von uns angesteckt.

Andere Menschen brachten schlimmere Erinnerungen aus dem Krieg mit zurück in die Heimat ...

Zwar ist dieses Dokument fragwürdig, andererseits kenne ich nun ein paar Namen meiner Vorfahren mütterlicherseits: Bruno Gehrmann war mein Großvater, den ich nie kennen gelernt habe.


Die Einträge gehen zurück bis ins Jahr 1814: Einer meiner Vorfahren ist in Eckersberg geboren. Das muss jenes bei Johannisburg in Ostpreußen gewesen sein:


Zu einem weiteren fehlen die meisten Angaben. Ob das ein Problem gewesen ist?


Dann wieder sind alle Angaben, die abgefragt wurden, vorhanden:



Ich weiß nicht, ob meine Mutter hin und wieder das Büchlein zur Hand genommen hat und an so manchen gedacht hat, als sie den Namen gelesen hat. Wen kannte sie? Wen sie natürlich nicht kennen konnte, war klar und ergibt sich aus der Angabe der Geburtsdaten - aber vielleicht hat ihr jemand über diese Menschen etwas erzählt?

Eigentlich war meine Mutter keine Angehörige dieser verschwiegenen Generation. Sie erzählte sehr viel über die Zeit, in der sie selbst noch ein Kind war - und der Krieg ihr das Finale ihrer Kindheit geraubt hat. Besonders gern sprach sie über ihre Eltern und vor allem über den über alles geliebten Vater - und ihre drei Brüder. Ihnen erging es ja - trotz des Krieges - lange Jahre ganz gut in Ostpreußen ...

Aber dennoch hat sie mir nie dieses Dokument gezeigt.

Manchmal habe ich mich gefragt, warum sie keinen ostpreußischen Dialekt, sondern hochdeutsch sprach - aber das beantworte ich mir selber:

Sie hat sehr viel Wert auf die deutsche Sprache gelegt, und auch, dass man sie vernünftig und sinnvoll anwendet: Ich denke, das hat sie bereits von ihren eigenen Eltern mitbekommen.

Was mir an Wissen wiederum fehlt, ist die Frage: Wer sind Henriette und Gottfried Bastian?

Unter jedem Eintrag gibt es einen amtlichen Stempel, hier zu sehen.


Trotz meiner Freude, zumindest die Namen vieler Menschen, die irgendwie und irgendwas mit mir zu tun haben (im Buch sind noch mehr vermerkt), zu kennen, möchte ich nicht, dass irgendwann wieder solch ein

Ahnenpass

von Amts wegen eingefordert wird.

Nicht zufällig veröffentliche ich diesen Beitrag am heutigen Samstag, einen Tag vor der Landtagswahl in Brandenburg.


Guten Tag, Gruß Silvia



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