Freitag, 23. August 2019

23. August 2019 - Die Lindenstraße wird sterben: Geb. 1985 - Wird sterben: 2020


Geboren: 1985 - Wird sterben: 2020

Die Lindenstraße wird sterben

Ehrlich gesagt, dachte ich, diese Sendung ist gleichzusetzen mit einer über Hundertjährigen, die glaubt, vom "Lieben Gott" vergessen worden zu sein und nun auf ewig weiter vor sich hindümpeln muss. Alle Freunde sind bereits gegangen, alle Freude auch. Ganz allein lebt sie in einem Altersheim und wartet sehnsüchtig auf den Tag X.

Für genau so vergessen und bereits von vielen Freunden verlassen habe ich die Lindenstraße schon vor langer Zeit empfunden. Ohne großartig unternommene Wiederbelebungsversuche schmorten die Straßen-Bewohner, geschlagen mit teilweise miserablen, in seichten Gewässern fischenden Drehbüchern. Natürlich fischt man in seichten Gewässern keine Höhepunkte.  Auch das ist vergleichbar mit der über Hundertjährigen, die weiß, dass ihr nicht mehr viel bevorsteht - außer vielleicht noch jede Menge weiterer Jahre, jedoch welche ohne Höhepunkte. Weder das Essen in ihrem Heim ist besonders gut noch sind es die Unterhaltungs-Angebote. Immerhin sind sie und die Lindenstraße die besten Freundinnen. Auf unsterblich getrimmt,

und trotzdem wird eine von beiden bald sterben:

Die Fernseh-Serie!

Einst als kleine Revoluzzer-Ecke gehandelt, denn in ihr gab es zum Beispiel den allerersten deutschen Filmkuss zwischen zwei Männern. Doch wie es im Leben eben ist: Wäre er hier nicht passiert, er wäre in einem anderen Film geschehen. Immerhin ist die Lindenstraße kein Vorreiter für die Wirklichkeit, auch,  wenn sie es tausendmal für sich in Anspruch nimmt, wenn man andere Serienteil-Inhalte ansieht:

Totschlag wird totgeschwiegen. Jahrelang. Als er eines Tages doch noch ans Licht kommt, passiert ... gar nichts! Die Täterin wird bedauert, während der, der es aufgedeckt hat, angefeindet wird.

Ein irrer Psychologe entführt einen Mann und stößt ihn anschließend von seinem Balkon! Aufklärung: Fehlanzeige! Der Psychologe wird nicht einmal polizeilich gesucht.

Eine Polizistin setzt ihre Waffe ein und tötet einen Menschen in vermeintlicher Notwehr, die allerdings ein Irrtum ist. Zwei Folgen lang - in etwa - ist sie traumatisiert,

um dann in der dritten Woche weiterzuleben wie bisher. Konsequenzen? Nein, nicht in der Lindenstraße!

Ähnlich wird auch der gesamten Straße nun der Todesstoß versetzt. Konsequenz- und leider alternativlos.

Bigamie plus Scheinehe - kein Problem, wenn die Gesetzesbrecherin in der Lindenstraße wohnt, die mal eben aus der Schein- eine richtige Ehe macht und deren anderer Ehemann, als eifersüchtig gefängnisbekannt und berüchtigt, so rein gar nichts unternimmt, um ihr zu schaden ...

Harmlos, aber dennoch realtitätsfern, ist die Sequenz, dass jemand, kaum mit der Diagnose Malaria tropica aus dem Krankenhaus entlassen, wieder arbeiten kann. Selbst 10 Minuten spazierengehen macht noch wochenlang größte Probleme.

Diese Aufzählung seltsamer oder nicht geahndeter Ereignisse könnte man endlos weiterführen,

und trotzdem beharren die Macher darauf, dass die Lindenstraße dem Querschnitt ihrer Zuschauer nahe kommt.

Stimmt natürlich: Erst letztlich hat sich der schwerreiche Unternehmer aus meiner Nachbarschaft unsterblich in seine kinderreiche Putzfrau verliebt.

Die über Hundertjährige jedoch mag diese Geschichte. Ihr wird ein Happy End nicht genug sein, sie will mehr sehen ...

Unterdessen brät Helga Beimer sich bei jedem Problem Spiegeleier. Die verspeist sie dann jedoch nicht mit Heißhunger, sondern mit dem, was ich den

schlecht geschauspielerten Appetit nenne: Sie isst wie ein pappsattes Häschen, das keine Lust mehr darauf hat, auch in der zwanzigsten Wiederholung der Szene kraftvoll ins Essen zu beißen. Am Essverhalten erkennt man wahre Schauspielkunst: Ein geschulter und leidenschaftlicher Darsteller stochert nicht im Gericht herum, sondern schlingt es gierig runter. Selbst, wenn ihm danach speiübel ist ... Und wenn der Regisseur sagt: Heißhunger ... dann wickelt man die Nudeln nicht minutenlang um die Gabel, um Zeit zu gewinnen, sondern beißt zu.

Dafür hat die über Hundertjährige jedoch volles Verständnis, denn das zügige Essen fällt ihr auch nicht mehr leicht. Zwei in die Jahre Gekommenen - die eine eine alte Frau, die andere eine TV-Serie.


Finale

Die Drehbücher können jetzt noch mal tollkühn Fahrt aufnehmen - in der Gewissheit, dass nichts zu einem zufriedenstellenden Ende gebracht werden muss.

Zwei Leute sollen noch sterben, und eine Hochzeit anstehen. Hört und liest man.

Wer nun sterben soll, weiß ich nicht, aber spekulieren könnte ich:

Helga Beimer und Anna Ziegler könnten sich derart in die Haare kriegen, dass sie sich gegenseitig an denselben reißen und dabei eine Treppe hinunterstürzen. Am Fuße der Stufen

liegen beide Hand in Hand. Im Tod vereint. Im Jenseits zanken sie sich weiter um Hansemann.

Die über Hundertjährige liebt Hochzeiten besonders, und sie wünscht sich noch ganz viele, bevor der Vorhang fällt. Für eine allein kann sie sich nicht entscheiden -

und es ist ja auch völlig wurscht, wer noch wen heiratet,

es sei denn, es gibt als Resultat ein "Spin off" der Serie,

in der ein neues Paar in die Endlos-Verlängerung geht.

Aber es ist möglich, dass Anna Ziegler zuerst die schönsten Stunden ihres Lebens erlebt, indem sie erneut heiratet - und dann eben jenen verhängnisvollen Treppensturz.

Mit Geschichten-spinnen kennt die über Hundertjährige sich nicht aus, aber  sie weiß:

Sie möchte, dass der "Liebe Gott" sich endlich einmal auf sie besinnt und sie zu sich holt.

Bei der Lindensstraße hatte irgendein Fernseh-Gott doch auch ein Einsehen.


Guten Tag, Gruß Silvia 



2 Kommentare:

  1. Danke, als ehemaliger Listra Fan der ersten Stunde sehe ich das Ende auch eher als eine Erlösung von einem schon lange andauernden Leiden. Ich persönlich habe mich von der Dahinvegetierenden schon vor längerer Zeit verabschiedet und sie in ihrem Elend zurückgelassen. Und das auch noch ohne schlechtes Gewissen!

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    1. Ich gucke das nur noch sporadisch, aber auch eher selten. Die guten LiStra-Zeiten sind lange vorbei.

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