Auf der Galopp-Rennbahn
Welches kleine Mädchen unternimmt nicht gern etwas mit seinem Vater - und dann auch noch exklusiv, weil weder meine Mutter noch mein Bruder Interesse daran hatten, ihn auf die Galopp-Rennbahn zu begleiten.
Dass diese kein Nährboden für Tierschützer oder auch nur Tierfreunde ist, wurde mir natürlich nicht sofort klar, denn ich war etwa 5 oder 6 Jahre alt, als ich ihn erstmals nach Dortmund-Wambel begleiten durfte. Danach waren wir in der Saison alle zwei Wochen auf der Rennbahn, und es war für mich in diesem Alter - und auch noch in späteren Lebensjahren - wie ein großer Spielplatz, auf dem man jede Menge Leute treffen konnte. Weniger Kinder, aber sich sehr
wichtig nehmende Erwachsene, die trotzdem auch ein offenes Ohr für ein kleines Mädchen hatten.
Tiere liebte ich schon immer. Darum war dies eigentlich nur so lange der richtige Tummelplatz für mich, bis ich die Show durchschaute. Erst einmal nahm ich nur die
wunderbaren und wunderschönen Pferde wahr. Ich stand vor den Rennen am Führring und konnte die Tiere aus nächster Nähe bewundern, ihren Atem spüren und den unverwechselbaren Duft einatmen. Irgendwann drangen auch Experten-Stimmen an mein Ohr:
"Der Hengst schwitzt jetzt schon - nicht auf ihn setzen."
Die meisten Urteile dieser Rennbahn-Urgesteine habe ich vergessen, weil ich sie vergessen wollte. Ich sah eher die Pferde und meinen Vater, der mit mir eine abenteuerliche Reise unternahm. Die Wahrheit sah ich viel später, auch, weil ich sie vielleicht am Anfang meines bewussten Denkens beiseiteschob und für übertrieben gehalten habe. Ich weiß es nicht mehr genau. Vielleicht war ich auch noch nicht so sensibilisiert wie heute.
Für jedes Rennen drückte mein Vater mir 2,50 DM in die Hand: damit durfte ich draufloswetten wie ich es für richtig hielt. Und selbstverständlich entschied ich mich in jedem Rennen für ein Pferd, das mir besonders gut gefiel - unabhängig davon, was die Experten darüber urteilten. Da alle Pferde schön waren, war es nicht einfach, das schönste herauszusuchen.
Oft schaffte ich es und konnte meinen Einsatz vermehren. Dann war ich stolz auf mich selber. Aber es ist einfach so: wer am wenigsten Ahnung hat, kommt manchmal am weitesten ... besonders auf einer Pferde-Rennbahn.
Im Nachhinein am schlimmsten waren die fanatischen Zocker: die spielten und verspielten überall ihr Geld, wo es möglich war - und für die waren die Pferde mehr Sport-Instrumente als Lebewesen.
Und manchmal hörte auch ich auf der Bahn einen lauten Knall, den man mir damals zunächst mittels einer Ausrede erklärte ... irgendwann glaubte ich den Ausreden natürlich nicht mehr. Jeder laute Knall war ein Schuss, mit dem ein überfordertes und dann schwer verletztes Tier getötet wurde ... heute geschieht das mit Spritzen, damals war man noch roher in dem Umgang mit diesen "Sport-Instrumenten".
Es wurden z. B. Dreijährige (Pferde) in Rennen geschickt, denen sie nicht gewachsen waren - aber die ein großes Potenzial besaßen, solch ein Rennen trotzdem gewinnen zu können. Verheizen nennt man das. Wenn nicht - Shit happens! Dann hatte der Besitzer eben Pech. Vom Pech der Pferde sprach niemand ... Ein zartes Seelchen darf man auf einer Rennbahn nicht sein.
Ich begleitete meinen Vater viele Jahre zur Rennbahn. Sehr viele Jahre davon tat ich es nur, damit wir unsere aufgebaute Gemeinsamkeit beibehalten konnten. Immerhin arbeitete er schwer in vielen, vielen Wochenstunden und hatte ansonsten nicht viel Zeit für meinen Bruder und mich.
Aber irgendwann kam der Punkt - es war eher ein Schuss -, an dem ich genug von diesen Veranstaltungen hatte. Ich wollte nicht länger den Pferden zusehen, die man teilweise nur mühsam in ihre Startbox zwingen konnte und die man mit Scheuklappen versehen musste ... und die sich nicht selber helfen konnten, weil sie keine Lobby hatten. Sie hatten zu funktionieren, sonst gar nichts.
Nie mehr war ich seitdem auf einer Rennbahn. Ich wollte, das könnten auch so viele Pferde von sich behaupten.
Auch mein Vater beendete seine Besuche auf der Pferderennbahn.
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