Im Supermarkt
Generell habe ich eher gute Laune als schlechte, und wenn der Tag auch mal ein bisschen schräg ist, ist meine Laune zumindest auf einem für mich erträglichen Level, etwa auf zwei Handbreit über Halbmast. Und gut gelaunt betrete ich auch in jeder Woche meinen Lieblings-Supermarkt, der selbstbewusst von sich behauptet, Lebensmittel zu lieben.
Immerhin kann man sich darin stets fühlen, als feiere man gerade Ostern. Die Überraschungen liegen in den Preisen begründet - letzte Woche kostete das doch noch ... und diese Woche kostet es bereits mehr. Da will kein Hersteller hintenan stehen, um uns Kunden zu überraschen - egal, ob sie von der Krise betroffen sind oder weniger oder gar nicht betroffen sind. Welcher Verbraucher kann schon so genau wissen, was reelle und was trittbrettfahrende Preiserhöhungen sind?
So rasant wie die Preise steigen, kann man eigentlich kein neues Geld herbeischaffen. Aber es ist wie es ist - und die Frage bleibt, ob die Preise jemals wieder auf dem normalen Vor-Krisen-Level sein werden. Denn die Kunden gewöhnen sich, die Hersteller zu verwöhnen und ihnen einen Ausgleich zu ihren gestiegenen Kosten zu zahlen ... da kann dieser nach der Krise die Preise einfach auf dem hohen Niveau lassen, um dann den wahren Reibach abzusahnen.
Der Mensch ist leidensfähig. Zudem muss jeder essen und trinken, da geht kein Weg dran vorbei.
Auch im Supermarkt geht oft kein Weg an anderen vorbei, ohne angerempelt zu werden oder den nächsten Vordrängler an der Kasse in seine Schranken zu weisen.
Der Kassenbereich ist ohnehin ein ganz eigener: offenbar starten die Kassiererinnen und Kassierer jeden Morgen zu einer Art Qualifying - indem sie heute die Waren noch schneller scannen als gestern und morgen wiederum zu rasanten Kollegen-Wettbewerbern werden.
Dort gelange ich dann zu einer äußeren Ruhe und inneren Unruhe: ich habe die Waren in den Wagen gelegt, ich habe sie aufs Band gelegt - ich werde sie nicht wieder in den Wagen legen, sondern ohne Umwege gleich in meine Taschen packen. Da habe ich manchmal die Rechnung ohne eine Kassiererin gemacht - die erbarmungslos meine Waren Richtung Fußboden schiebt. Vor ein paar Tagen dachte ich glatt, die Frau an der Kasse wollte die Lebensmittel gleich mit einem Schubs und im Flug zum Ausgang befördern ... nicht mit mir, bitte nicht.
"Haben Sie früher an einem Mülltrennungsfließband gearbeitet? Sie behandeln die Ware, als wäre es Müll ...", ist meine logische Frage auf diesen Akt völliger Achtlosigkeit. Sie hat mich nicht verstanden ... denken kann man nicht mehr, wenn man scannt ...
Im Übrigen haben sich hinter mir stehende Kunden noch nie darüber beklagt, dass ich meine Ware gleich in Taschen packe - ich bin ja nicht langsam, aber natürlich niemals so schnell wie jede Supermarkt-Kassiererin. Nicht meine Schuld, ich habe es schließlich nicht gelernt, mit Lebensmitteln um mich zu werfen ...
An einem anderen Tag bat mich die Kassiererin, meine Taschen kurz anzuheben. Das mache ich doch gerne. Ich hob sie an und stellte in neuer Logik fest: "Nicht die Kunden klauen, sondern die Hersteller ..."
Wieder eine vergeudete ironische Spitze.
Völlig geschafft verlasse ich den Supermarkt. Die Laune ist kurzfristig unter der Höhe Halbmast. Doch dann sehe ich meinen Mann mit Charlie aus dem nebenan liegenden Fressnapf kommen:
Charlie ist total glücklich und seine Augen strahlen. Denn dort arbeitet seine Lieblingsverkäuferin, eine Filial-Leiterin, die ihm stets ein paar Streicheleinheiten gönnt, ihn schon mit in ihre hinteren Räume genommen hat (er war neugierig, was sich hinter der Tür verbirgt) - und immer ein Leckerchen für ihn parat hält. Von einer Leckerlie-Stange, die Charlie nicht frisst, pult sie mit ihren Zähnen das Hähnchenfleisch ab, das er liebend gerne nimmt.
Eine Freundlichkeit ohne anzusehenden Zeitdruck, welche ich in meinem Lebensmittelladen vermisse ...
Den nächsten Einkauf starte ich wieder gutgelaunt, denn was bringt es mir, wenn bereits die Erwartungshaltung auf einem Tiefpunkt angelangt ist - noch bevor sich dieser Tages-Tiefgang als Tatsache erweist?
Sie lieben Lebensmittel - ich hasse Einkaufen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen