Die Muttersprache erlaubt es mir, mich sowohl gekonnt oder nur gewollt gekonnt, aber immer so auszudrücken, wie es mir in den Sinn kommt und wie ich es passend für die jeweilige Gelegenheit finde. Die Muttersprache gibt mir die Sicherheit, die ich in keiner anderen Sprache finden könnte.
In dieser Sprache verstehe ich Nuancen oder auch Entgleisungen. Man nennt sie Muttersprache, weil sie einem vertraut wie die eigene Mutter ist und von ihr erlernt wurde.
Ich kann mich - wie (einst) bei meiner Mutter - austoben, Grenzen austesten oder oft genug ein paar Wörter einfach unausgesprochen nur denken. Ich kann mich an ungehörigen Wörtern festhalten, um sie später in eine gemäßigte Sprache zu transportieren ... oder einfach mal Fünfe gerade sein lassen, um schweigend die innerlich empfundenen Begriffe in eine schönere Ausdrucks-Bahn zu lenken, ohne den Worten die Schärfe zu nehmen.
Die Muttersprache kennt Wörter, die heute als nicht mehr akzeptabel gelten ... leider gibt es keinen Warnhinweis, falls mir doch einmal solch ein Wort-Begriff unter die Tastatur gerät, der durch meine Geschichtskenntnisse gerutscht ist.
Die Muttersprache verlangt, dass man sie pflegt und hegt und nicht schludrig behandelt, als wäre sie ein alter Karton, den man auseinanderreißen muss, um ihn im Müll versenken zu dürfen.
Meine Muttersprache kennt Dichter und Denker. Zwar ist sie sehr eigenwillig, aber man kann sie beliebig aneinanderzusetzen, gerade so, wie es dem jeweiligen Schreibenden gefällt. Ob alles am Ende einen Sinn ergibt,
könnte auch daran liegen, wie man von der Mutter selber erzogen wurde: als denkender und nachdenkender Mensch oder eher als ein oberflächliches Wesen, dem die Sprache schnurzpiepegal ist, Hauptsache, die Wörter sprudeln.
Die Muttersprache kennt Regeln, und daher muss sie sich manchmal ganz schön zusammenreißen, wenn diese missachtet werden,
aber wie jede Mutter:
sie verzeiht.
Doch nachtragend verfestigt sich schnell eine wenig schöne Umgangssprache im künftigen Sprachgebrauch der Leute, die nicht wieder zu der Schönheit der Muttersprache zurückfinden können, weil sie sich längst viel zu weit von ihr entfernt haben.
Die Muttersprache kennt auch ungeahnte Tücken. Wie oft wurde sie bereits für Parolen oder Schlagwörter missbraucht, die nun auf dem Index sind. Hier wäre eine eingebaute Sprachbarriere vonnöten, aber die gibt es nicht. Da muss man sich schon schlau machen, um einige Begriffe einfach vermeiden zu können.
Manchmal hat man es unserer Muttersprache arg schwer gemacht, sich völlig frei und in riesiger Bandbreite zu entfalten, und manchmal nimmt sie - mal mehr gelassen, mal weniger - Hilfswörter aus dem Englischen in ihren Wort-Schatz auf und verleibt sie sich mehr und mehr als eigene ein.
Ob ihr das gefällt, weiß ich nicht, aber das ist der Lauf der Dinge.
Die Muttersprache bläht sich auf, kühlt uns ab, lässt uns nie im Regen stehen, ist eine verlässliche Größe in einer guten oder unsicheren Zeit, und wenn wir sie verinnerlichen,
ist sie die beste Freundin, die man haben kann,
um sich mitzuteilen.
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