Meine Zeit in einem katholischen Internat
Die katholische Kirche steht in keinem guten Licht und kann jede positive Rezension dringend gebrauchen. Und ich habe eine beizusteuern, in der zumindest die schlimmsten Beschuldigungen, denen die Kirche sich zu verantworten hat, völlig entfallen:
In meinem Internat in Brilon Stadt (es gibt auch Brilon Wald) waren die Nonnen genau solche Menschen wie alle anderen auch, aber ohne tiefe - oder nicht sichtbare Abgründe. Die eine Nonne war die Freundlichkeit in Person, eine andere launisch und eine dritte war durchweg von traurigem Gemüt. Was die einzelnen Frauen damals ins Kloster verschlagen hat ... ich weiß es nicht. Falls wir je Fragen danach gestellt haben, so habe ich die Antworten längst vergessen.
Hier kümmerten sie sich um uns Mädchen, und natürlich wollten sie uns Gott so nahe bringen, wie eben möglich. Dass dies in einer Überdosierung landete, haben sie vermutlich weder mitbekommen noch bedacht. Einmal in der Woche fand in der dazu gehörigen Schule (die für alle offen stand, nicht nur für uns aus dem Internat) ein Gottesdienst statt - an einem anderen Tag mussten wir im Internat die kleine Kapelle möglichst gläubig bevölkern - und an den Sonntagen ging es in die öffentliche Kirche im Ort.
Das allein reichte noch nicht für einen späteren Kirchenaustritt meinerseits - aber es war der Anfang von diesem Entschluss. Und der hatte nichts mit den Nonnen zu tun, denn außer dem Christentum widmeten sie sich auch sehr ernsthaft unseren schulischen Aufgaben:
Wer in einem Fach schwächelte, bekam kompetenten Nachhilfeunterricht. Jeden Tag wurden in einem sogenannten Silentium die Hausaufgaben erarbeitet. Die Zeit war recht großzügig bemessen - und wurde im allgemeinen und von uns als zu lang angesehen.
Nach dem Silentium war in der Regel nicht mehr viel Zeit bis zum Abendessen.
Natürlich gab es auch Freizeitaktivitäten: Im Winter lag jede Menge Schnee im Sauerland, im Sommer gingen wir zum Schwimmen ins Naturfreibad.
Dazwischen kam immer wieder Gott zu Besuch - und wie das so ist mit den vielen Anwesenheiten: Man verliert den Gast total aus den Augen und wertschätzt ihn immer weniger.
Immerhin hatten wir Mädchen miteinander jede Menge Spaß und Freude. Manchmal auch mit Sr. Irmgard, denn sie war ein lustiges Haus, wie man so schön sagt - und, ich hoffe, es stimmt, was ich schreibe: Sie war recht weltlich eingestellt. Sofern ich das in der Rückschau bewerten und in der Erinnerung richtig aufgehoben habe.
Leider endete diese tolle Zeit nach zwei Jahren - denn der Orden verkaufte das Grundstück (mitsamt dem Haus, was jedoch abgerissen wurde), das mitten im Ort lag, an eine Kaufhauskette. Das war vermutlich lukrativer,
als sich weiterhin um eine wilde Horde von braven Mädchen zu kümmern.
Ich denke jedoch gerne an diese Zeit zurück und möchte die Erfahrung nicht missen. Sie hat mein Leben bereichert, auch, wenn sie mich Gott nicht näher gebracht hat - sondern eher für eine weitere Entfernung von ihm sorgte.
Es war folglich nicht alles schlecht, was in der Kirche und ihren Institutionen passierte. Wir alle hatten nämlich eine wirklich gute und behütete (manchmal zu sehr behütete) Zeit in dem Internat.
Einen schönen Adventstag, Gruß Silvia
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