Weihnachtsgeschenke
Als Omi ist Waltraud bei ihren Kindern, Schwiegerkindern und den heranwachsenden Enkeln ausgesprochen beliebt. Die wohlhabende Witwe Waltraud (oh Gott, diese furchtbare Alliteration ließ sich gerade nicht vermeiden), die zuweilen und andernorts den Zusatz "lustige" trägt, bringt zu Geburtstagen und besonders an Weihnachten immer die kostbarsten Geschenke ins Haus. Mit deren Leben als lustige Witwe hingegen will sich niemand gern anfreunden - wer weiß, welche Kerle auf der Lauer liegen, die am Ende noch das Vermögen von Waltraud durchbringen?
So erinnert man sie an Weihnachten ausgesprochen gern an ihr hohes Alter von beinahe 80 Jahren. Die Geschenke ihrer Angehörigen sehen in etwa so aus: 4711 - denn ein anderer Duft wäre nicht altersgerecht. Stützstrumpfhosen müssen ebenso sein wie eine Flasche Doppelherz oder Meditonsin, falls der Winter die Omi erkältungsmäßig auf die Matte schickt.
Waltraud ihrerseits schenkt großzügig Geld ... oder Reisen oder Schmuck. Kein Wunder, dass man sie so gerne an Geschenke-Feiertagen sieht.
Waltraud ist jedoch seit langem genervt von diesen Weihnachtsfeiern, die mal bei ihrem Sohn, mal bei ihrer Tochter stattfinden - aber zu denen sich die gesamte Familie einfindet.
Ein ganzes langes Jahr über fühlt sie sich fit und jung oder zumindest recht jung geblieben - nur an diesen Heiligabenden spürt sie auf einmal jeden Knochen, und ihr Herz rast, während die Augen einen trüben Blick aufs Geschehen haben.
Noch einmal, denkt sie kurz vor Heiligabend, werde ich mir das antun. Aber diesmal ändere ich mein Verhalten. Einfach würde es nicht werden, in am Ende enttäuschte Gesichter gucken zu müssen, aber sie hatte es satt, nur ihrer Geschenke wegen gemocht zu werden - obwohl das natürlich ihre eigene Schuld war.
Waltraud setzte sich hin und unter vielen Mühen und mit bunter Wolle entstand ein schiefer Schal, den sie für ihre Schwiegertochter einpackte - und da sie schon mal dabei war, häkelte sie noch ein Tischdeckchen für ihre Tochter. Da steckte viel Liebe, aber wenig Können drin.
Für den Sohn verpackte sie ein altes Fotoalbum aus seiner Kindheit. In diesem Jahr würde er auf einen großzügigen Zuschuss zu seinem Luxusleben verzichten müssen. Der Schwiegersohn bereitete ihr ein paar schlaflose Nächte - aber dann war klar, was sie ihm schenken würde: Anstelle eines Schecks für sein kostenintensives Oldtimern-Hobby - würde er ein Jahres-Abo einer Oldtimer-Zeitschrift bekommen.
Für die vier Enkel - drei pubertierende Mädchen und ein Junge von 12 Jahren - steht fest: Sie bekommen allesamt einen
Benimm-Kurs. Für sich selber hat sie auch einen Platz reservieren lassen.
Mutig lässt Waltraud sich mit einem Taxi zu ihren neu erfundenen Weihnachtsfeierlichkeiten kutschieren ...
Einen schönen Adventstag, Gruß Silvia
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