Meine Höhenangst - und Robin, mein Therapeut
Die Höhenangst ist sehr schön im Hitchcock-Film "Vertigo" beschrieben. Egal, was passiert, egal, was droht, man fühlt sich unfähig, den Weg zu nehmen, der in die Höhe führt.
Zunächst und viele Jahre in meinem Leben hatte ich überhaupt keine Probleme mit Höhe, sondern stand ihr gelassen und gleichgültig gegenüber. Wie oft war ich zum Beispiel auf unserem Dortmunder Fernsehturm? Unzählige Male!
Irgendwann, ich war Mitte 20, erlebte ich Altbekanntes auf dem Frankfurter Fernsehturm plötzlich völlig anders. Der Turm schwankte (das muss er natürlich, aber man merkt davon in der Regel nicht viel), die Panik wuchs, denn ich war sicher, er würde gleich einstürzen. Dieses Panik-Gefühl war völlig neu für mich. Mein Magen drehte sich um, und ich dachte, ich könne keinen einzigen Schritt mehr machen, weder vor noch zurück ... ich würde einfach dort, wo es mich überfallen hat, stehenbleiben und irgendwann sterben ...
Mit dieser Akrophobie war ich nicht allein, sondern sogar in prominenter Gesellschaft:
Johann Wolfgang von Goethe und James-Bond-Darsteller (man lasse sich das mal wegen der waghalsigen Szenen auf der Zunge zergehen) Roger Moore litten unter Höhenangst. Natürlich hatte Moore einen Stuntman, der die Waghalsigkeit eines Bond, James Bond, stellvertretend übernahm.
Ich hatte keinen Stuntman, und trotzdem versuchte ich mich in der Zeit nach dem Frankfurter TV-Turm sogar am World-Trade-Center und am Empire-State-Building. Es war hoffnungslos. Ich würde heute noch dort stehen (auf dem WTC natürlich nicht, niemand vergisst Nine Eleven), wenn man mich nicht zu den jeweiligen Aufzügen runter auf die Straße regelrecht zurückgeschubst hätte.
Ebenso erging es mir in einem Restaurant im 16. Stock. Dort startete ich einen neuerlichen Versuch: Mit dem Ergebnis, dass wir vor dem Essen alle wieder gehen mussten, weil ich - wie sicher der eine oder andere meinte - herumzickte.
Es war jedoch kein Herumzicken. Es war eine tiefsitzende Panik.
Die begann bereits auf Brücken. Typisch für diese Störung des seelischen Gleichgewichts.
Zu Robins Lieblingswald gibt es einen freien Eingang und zig Brücken-Übergänge. Ich konnte Hochhäuser meiden und vieles andere auch,
aber wie sollte ich es auf Dauer vermeiden, über diese Brücken zu gehen?
Also entschloss ich mich todesmutig, hier und da mal eine Brücke im Laufschritt zu überqueren - nur um im Anschluss daran zu merken, dass mir für zwei Stunden Waldspaziergang speiübel war.
Mir war derart übel, dass der feinfühlige Robin sich ständig mit besorgtem Blick zu mir umdrehte. Dabei sollte ich schließlich auf ihn aufpassen - und nicht umgekehrt.
Ich muss etwas tun, entschloss ich mich ...
und ging fortan langsamen Schrittes und in der sicheren Protektion von Robin über Brücken. Die anschließende Übelkeit kalkulierte ich in einen Heilungsprozess ein,
denn mein Therapeut Robin ließ mich schließlich nicht im Stich. Und wenn er ohne Angst darüber laufen konnte, so sollte ich das auch können.
Es dauerte vielleicht ein paar Wochen und kostete viel eisernen Willen ... und seit diesem Zeitpunkt kann ich jede Brücke überqueren.
Einen Restaurant-Besuch in einem 16. Stock verkneife ich mir trotzdem, denn einen Rückfall möchte ich ungern riskieren,
obwohl ich denke, dass ich geheilt bin.
Dank Robin! Dank meiner Liebe zu ihm!
Und zu diesem schönen Herbsttag ein passendes Foto abseits von diesem Beitrag:
Fortsetzung folgt
Copyright Silvia Gehrmann
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