Freitag, 12. Oktober 2018

12. Oktober 2018 - Märchen: Das tapfere Schneiderlein - Sieben (Models) auf einen Streich

Foto: Silke B.


Das tapfere Schneiderlein

Schon lange strampelt der mutige junge Mann zwischen Nähnadeln, Garnen und Stoffen, um eines schönen Tages als der Newcomer der Saison in seiner Szene wie Phoenix aus der Asche empor zu steigen. Doch bereits des Kaisers neue Kleider durfte er nicht entwerfen, obwohl er so ehrgeizig wie beflissen ist, die Höhenlagen seiner Schneiderkunst an den bekannten Mann und die berühmte Frau zu bringen.

Eines Abends kommt ihm die glänzende Idee, aus einem Club gleich sieben Möchtegern-Models abzuschleppen - und sie allesamt durch seine Schneiderstube zu jagen, mit je einer selbst genähten Bluse glücklich und unberührt nach Hause zu schicken und sich selber auf die magere Brust zu schlagen.

Sieben auf einen Streich, denkt er. Wo gibt es sonst einen so tollen Kerl wie mich? Mit feinen Goldfäden näht er diesen Spruch auf seinen Gürtel, und nun kann jeder sehen, welch ein toller Hecht er ist.

Derart ausgestattet läuft er zur nächsten Fashion-Show, zeigt seine Entwürfe und hofft auf den großen Wurf in eigener Sache. Das aber gestaltet sich gar nicht so einfach.

Die Mode-Schneider sind ziemlich eingebildet und erkennen anderer Schneider Ideen nicht wirklich an. Man zeigt ihm hier und da sogar den Stinkefinger, und das trifft den

tapferen Schneider in tiefster Seele.

Eine Idee muss her, denkt er sich - und dabei ist es erst einmal gar nicht wichtig, dass ich Mode kreieren kann! Ich brauche Beziehungen!

Eine blonde Frau mittleren Alters läuft ihm über den Weg: Plötzlich, unerwartet und wie ein Geschenk des Himmels. Sie ist ein bekanntes Model -

und er ein um viele Jahre jüngerer spilleriger Mann, der es noch weit bringen will in seinem Leben.

Er ist nicht der Schönste, aber er weiß, dass sie die Schönen ohnehin nicht bevorzugt. Ein Mann, ein möglichst jüngerer, sollte vielmehr

ihre Schönheit unterstreichen. Das ist ihr Plan in allen Lebenslagen.

Das tapfere Schneiderlein mit dem Gürtel als Empfehlungsschreiben schiebt sich in ihre Nähe und hüpft vor ihr auf und ab,

damit sie die Inschrift "Sieben auf einen Streich" auch wirklich sehen kann, denn vielleicht ist sie bereits weitsichtig und sieht nicht alles mehr so klar.

Aber:

Sie bemerkt die frech-frivole Aufschrift. Sie schluckt einmal kräftig. Das Schneiderlein spürt beinahe die lauten Gedanken hinter ihrer blonden Stirn:

"Wenn er sieben auf einen Streich schafft, wird er mich auch fast schaffen. Nicht ganz, aber fast."

Nur noch ein paar verheißungsvolle Blicke kostet es den ehrgeizigen Schneider, und er befindet sich in ihren Fängen.

Karriereplan - beinahe schon in trockenen Tüchern, weiß er.

Seitdem turteln sie so verliebt durch die Weltgeschichte, als hätten sie die Verliebtheit erfunden ... na ja, eher als hätte sie diese erfunden ... er hat ganz andere Pläne ... (muss sich jedoch beeilen, denn sie ist wankelmütig) ...

und darf demnächst dem Kaiser neue Kleider schneidern und diesem und jenem ...

Ähnlichkeiten mit lebenden Personen wären rein zufällig und sind nicht beabsichtigt.


Guten Tag, Gruß Silvia




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