Dienstag, 22. Januar 2019

22. Januar 2019 - Kurzgeschichte: Und plötzlich war alles anders ... 3. Teil


Und plötzlich war alles anders ...

Am Ende all seiner Kritikpunkte, die nur so aus ihm raussprudelten - ansonsten sprach er niemals ein persönliches Wort mit uns Kandidaten - gelangte ich zu der festen Überzeugung, dass ich vermutlich doch den falschen Beruf ergriffen hatte. Ob ich wohl überhaupt auch nur noch ein Spiegelei braten könnte? Ich bezweifelte es hier und da ungemein. Ein Gewinn schien so weit weg zu sein wie die Möglichkeit, dass mein Vater meine Mutter betrog - oder umgekehrt. Gerne hätte ich hier und da die Fähigkeit meiner Mutter besessen, spontan und völlig unerwartet einen Nervenzusammenbruch zu inszenieren - aber ich biss mich durch, ich ließ keine Tränen zu und schon gar keine bitteren. Ich war eben nicht wie meine Mutter, sondern eine junge Frau, die Kummer gewohnt war - und ihn nicht mehr allzu ernst nahm. Sollte ich nicht gut genug für seinen New Yorker Schicki-Micki-Laden sein, so würde ich mir das eben als Auszeichnung zurechtbiegen. Ein bisschen mehr als nur ein wenig hatte ich schließlich von meinen Eltern gelernt, die gekonnt alle jemals aufkeimenden Konflikte schon im Vorfeld als belanglos abschmetterten.

Doch dann - ich konnte es kaum glauben - fand ich mich in seinem Restaurant in New York wieder. Es erschien mir wie ein Traum. Luke Miller hatte sich neben einem Kollegen in etwa meinem Alter auch für mich entschieden. Ich durfte fortan für mindestens eineinhalb Jahre ein Rädchen in seinem großen Getriebe sein und fühlte mich schon wie ein kleines Sternchen, das in die Welt hinaus gezogen war, um irgendwann ganz hell zu leuchten.

Vom Leuchten in den Augen meiner Eltern, als ich ihnen dies verkündete, war jedoch nichts zu erkennen. "Köche scheinen sich sehr wichtig zu nehmen", meinte mein Vater, während meine Mutter immerzu den Kopf schüttelte und mir das Pflaster in New York in den dunkelsten Farben schilderte. Sie kannte sich gut aus in der Welt, obwohl mein Vater um ihre eigene eine Schutzhülle gebaut hatte - durch die nichts Böses drang.

Obwohl es natürlich die eine Ausnahme gab, und die hieß Lorelei. Ich enttäuschte sie, weil ich aus dem Takt ihrer kleinen heilen Welt schlug. Aber sie ließen mich ziehen, und vielleicht waren sie auch froh, endlich ein Stück weit die Verantwortung für mich abzugeben: Ich war zwar bereits 26 Jahre alt, aber was zählten schon die Jahre? In ihren Augen war ich noch immer ihr dummes Kind.

Luke Miller war ein anderer Koch als mein Ausbilder: In seiner Küche wurde nicht gebrüllt, in seiner Küche ging alles seinen ruhigen Gang - und es gab keine Ausreißer dieser Ruhe. Und ich startete erwartungsgemäß als kleines Licht im Schatten eines großen Meisters.

Inzwischen hielt ich mit meinen Eltern natürlich einen stetigen Telefonkontakt. Sie vermissten mich, und das freute mich natürlich. Ich hätte wohl schon viel früher einmal aus ihrem Horizont ausbrechen sollen. Doch im Laufe der Zeit wurden die Telefon-Gespräche seitens meiner Eltern immer kürzer, und ihnen fehlte irgendwann auch jede Herzlichkeit. Nur: Es geht uns gut. Zieh dich warm an. Zieh keine Miniröcke an. - Fertig.

Ich vermutete, dass sie noch immer sauer über meine Berufswahl waren - und mir nun eben nachtragend ein bisschen Kälte zukommen ließen.

Zudem war ich mit etwas anderem mehr als beschäftigt: Luke! Vielleicht war sein Laden ein wenig Schicki-Micki, aber er selber war ein bodenständiger Mensch mit vernünftigen Ansichten und keineswegs abgehoben. Ich hatte ihn falsch eingeschätzt während der Challenge - in der er sich natürlich mit Absicht verstellt hatte. Nun lernte ich Luke näher kennen - und

wir verliebten uns ineinander.

Auf meiner Wolke Sieben schwebend, vergaß ich meine Eltern oder vernachlässigte vielmehr die Telefonate. Von selber meldeten sie sich auch nicht, was mich jedoch keineswegs in irgendeiner Form beunruhigte ...

Ich hätte ruhig ein bisschen sensibler sein sollen ...


Copyright Silvia Gehrmann

Fortsetzung folgt



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