Ein "Freund" des Hauses ... eine alte, wahre Erinnerung
Ich war 11 Jahre alt und völlig vernarrt in meine Schreibmaschine, die ich zum letzten Weihnachtsfest oder auch Geburtstag bekommen hatte - so genau erinnere ich das nicht. Aber ich erinnere mich an den Mann namens Karl Heinz, der in unser Leben getreten war:
ein lieber Mensch, und das darf er im Nachhinein auch sein und ist es heute - da ich längst weiß, dass er zwar meinen Frieden bedroht - aber ihn letztendlich nicht zerstört hat
Kennengelernt habe ich ihn als Freund meiner Eltern, und schätzen gelernt habe ich ihn, als er mir versicherte, dass ich eine
großartige Schriftstellerin werden würde.
So sind Kinder: sie glauben schnell, was Erwachsene ihnen erzählen (ob ehrlich oder gelogen) - und andererseits schmeicheln Erwachsene, damit Kinder ihren Weg weiter verfolgen, denn er bestärkte mich in dem Glauben an mich selber.
Ich malträtierte meine Schreibmaschine mit Wörtern und ging dabei manchen kindischen Abgrund hinunter. Karl Heinz war damals
einer meiner wenigen "Fans". Ich mochte ihn,
aber es gab eine, die ihn noch mehr mochte als ich:
meine Mutter.
Sie war natürlich die Frau meines geliebten Vaters und die Mutter von Heinz und mir. Wir gehörten zusammen und nichts durfte diese innere Verbundenheit trennen.
Sie, Christel
... meine Mutter sah das allerdings anders: sie war in Karl Heinz verliebt. Bis über beide Ohren. Karl Heinz war seinerseits schwer verliebt in sie. Aber
sie war eine Ehefrau und Mutter von zwei Kindern. Er war
Ehemann und Vater von drei Söhnen.
Er
Karl Heinz - wollte sich trennen - so wie es meine Mutter auch wollte.
Ich
habe, als ich all das realisiert habe, diesen Mann gehasst - den ich heute mit der Erfahrung von vielen Lebensjahren genauso gut verstehen kann wie meine
Mutter, die mich damals so tief enttäuscht hat.
Ich habe beide ohne Rückfahr-Ticket zum Mond gewünscht, und ihr mit voller Absicht jeden Tag so schwer wie möglich gemacht.
In die starken Arme meines Vaters habe ich mich geflüchtet, damit wir eine verschworene Einheit gegen "diese Frau" bilden konnten.
Weitgehend unbelastet blieb mein Bruder Heinz.
Er hat nie gezeigt, dass er Karl Heinz besonders mochte, aber auch nie, dass er ihn nicht mochte. Eher war er ihm gegenüber gleichgültig.
Seine Frau
hat um ihren Karl Heinz gekämpft. Davon habe ich später - mit dem weitgehenden, aber nicht vollständigem Verständnis von heute gehört - damals war ich so machtlos wie alle Kinder
sind, wenn ihren Eltern das Leben ins Leben fuscht.
Eine etwa 2 Jahr andauernde Geschichte
... während der ich Papier in meine Schreibmaschine eingezogen habe und einmal wütend uns allen ein böses Ende niedergeschrieben habe,
und ein anderes Mal ein schnulziges Happy End.
Erste Erfolge als "Schriftstellerin" hatte ich mit anderen, sehr kleinen und lieben Geschichten. Damals gab es in der Westfälischen Rundschau den "Kleinen Reporter" - und ich hatte mehrere Veröffentlichungen - und bekam sogar eine Gage von
sage und schreibe jeweils 5 Deutsche Mark.
Die Veröffentlichungen haben meine Mama und auch Karl Heinz (Trittbrettfahrer?) stolz gemacht,
aber ihren Karl Heinz hat sie noch lange nicht aufgegeben.
Mama
und ihr Karl Heinz waren beide wild entschlossen, neu anzufangen.
Und ... sie war ebenso entschlossen, meinen Bruder Heinz in ihr neues Leben mitzunehmen.
Mich nicht, mich hätte sie bei meinem Vater belassen. - Ich war immer das schwierigere ihrer beiden Kinder, aber nicht nur das:
ich war d a s Kind, das weniger Sonnenschein in ihr Leben gebracht hat: Heinz war der, der immer die heitere Seite des Daseins wahrgenommen hat,
ich hingegen war von der hemmungslos nachdenklichen Art, die sie ob ihres schweren Schicksal
... mit ihrer Mutter von Ostpreußen nach Dänemark geflüchtet, dort ihre Mutter verloren hat, zu alledem auch noch ihren Vater und ihre drei Brüder auf immer vermissen musste -
am wenigsten von all diesen Menschen geliebt hat.
Manche Menschen, die uns beide gekannt haben, meinten, wir seien uns zu ähnlich gewesen.
Ich war am Ende die Nummer 7 oder 8 (auf ihrer Liebes-Skala)
Genau weiß ich das nicht; aber nach ihrem (unserem) geliebten Heinz (er starb mit 19 Jahren durch einen Hotelbrand) hat sie auch ihre Eltern und Brüder auf immer vermisst und geliebt - meinen Vater nach seinem Tod vielleicht auch -
aber: er sagte mir kurz vor seinem Tod: "Kümmere dich um deine Mutter - sie hat mich nie wirklich geliebt."
Nach allem, was ich heute weiß, hatte er unrecht.
Damals hat sie sich von Karl Heinz getrennt und ist bis zu seinem Tod und offensichtlich gern bei meinem Vater geblieben.
Gerüchte
Vielleicht hat sie auch nur im Laufe vieler Jahre zu meinem Vater zurückgefunden. Zu dem einfachen Dachdecker, der mit ihr eine ostpreußische "Prinzessin" geheiratet hatte.
Ich habe ihr schon lange verziehen, dass sie gerüchtemäßig zu meinem Vater zurückgekommen ist, weil er ihr gedroht haben soll, dass sie
Heinz niemals mitnehmen könnte - eher würde er ihn entführen ...
Und ich habe ihr verziehen, dass sie mich nicht mit in ein neues Leben nehmen wollte - zwar hätte ich mir diesen Wunsch von ihr erhofft, aber ich wäre
ohnehin niemals mitgegangen, denn meinen Papa hätte ich nie allein und silvialos zurückgelassen.
Unser Abschied
viele, viele Jahre später
war ein ausgesprochen schöner: die alten gegenseitig verabreichten Wunden waren längst vergessen, Heinz, ihr Liebling, war schon lange vorher durch einen schrecklichen Unfall gestorben,
mein geliebter Vater frühzeitig an den Folgeerkrankungen, die ihm die Firma Hoesch eingebrockt, die Asbest als unbedenklich eingestuft hat, verstorben.
Das Liebste, das sie zu Zeiten ihrer schweren Erkrankungen hatte, war ihre Malteser-Hündin "Bienchen", und dass
sie mir ans Herz gelegt hat, mich um Bienchen bis zu deren Lebensende zu kümmern,
war Liebesbeweis bezüglich meiner eigenen Person genug. - Bienchen hat noch über ein Jahrzehnt bei mir gelebt (13. Oktober 2003 bis 25. Januar 2021)
Heute verstehe ich sie: eine Frau ist nicht automatisch nur eine Ehefrau und Mutter.
Meinen angestrebten Weg als Schriftstellerin habe ich irgendwann nicht weiter verfolgt. Heute sage ich dazu: leider. Ein Grund dafür war, dass ich nicht versehentlich berühmt werden wollte ... ich weiß auch nicht, warum mir das so widerstrebt hat.
Guten Tag, Gruß Silvia
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