Samstag, 20. August 2022

20. August 2022 - Der katholische Pfarrer und ich




Der katholische Pfarrer und ich

Das kleine, stets mit den unterschiedlichsten Menschen vollgestopfte Lokal lag an einem bekannten Fluss, der mitten durch eine westdeutsche Großstadt fließt. Da es ein wenig verborgen lag, musste man schon sehr zufällig herfinden oder einen Tipp von jemandem bekommen, der ... na ja, wie das so schön heißt, jemanden kennt, der jemanden kennt ... Die Kneipe war sowohl von außen als auch innen recht unscheinbar, denn es lag einzig an den Gästen, die wie einmal durch alle Gesellschaftsschichten zusammengewürfelt waren und den Zauber dieses Ortes ausmachten. Wenn man Pech oder auch Glück hatte, traf man den Klempner, der letzte Woche einen Abfluss im eigenen Zuhause repariert hatte - oder den Arzt, den man endlich wieder einmal hätte aufsuchen sollen. Schnell eine Notiz machen.

Auch ein damals sehr zu recht beliebter SPD-Politiker verkehrte dort. Allerdings habe ich ihn nie persönlich angetroffen, obwohl mir das sehr gefallen hätte.

Im Laufe einiger Jahre lernte ich hier einige Menschen kennen - und von einem besonderen möchte ich heute erzählen:

Er war ein katholischer Pfarrer mit holländischen Wurzeln und hieß Peeters (den Namen habe ich geändert). Es war an einem kalten Winterabend - so einen, den man bei der derzeitigen Hitze sicher herbeisehnt (wenn nicht dieses Damokles-Schwert absolut erhöhter Energiekosten für die kommenden kalten Monate über uns schweben würde). Letzteres war damals nicht der Fall,

denn ich war etwa 20 Jahre alt, vielleicht ein oder zwei Jahre älter. Er war in seinen 50er Jahren. Zufällig saßen wir an der Theke nebeneinander - und wie es hier immer passierte, kamen wir dann nicht mehr zufällig, sondern gewollt ins Gespräch. Als introvertierte Einsiedlerin wäre man in dieser Kneipe fehl am Platz gewesen. Auch eher schlechtgelaunt nur ins Glas zu starren, war hier nicht angesagt.


Pfarrer Peeters

Im Laufe der Zeit trafen wir uns öfter rein zufällig in eben dieser Kneipe - aber irgendwann auch auf eine Verabredung hin.

Wer jetzt eine süße Geschichte aus der Rubrik "Dornenvögel" erwartet, kann aufhören zu lesen. Er war mir viel zu alt und ich ihm viel zu jung. Über gleich zwei Hürden wollte ganz sicher niemand von uns springen.

Wir mochten uns, und unsere Gespräche wurden weg von den Allgemeinthemen immer persönlicher. Daher trafen wir uns bald auch in anderen Umgebungen, denn meistens war es ziemlich laut in dieser Kneipe.

Wir unterhielten uns über Gott und die Welt - wobei der Anteil der Gespräche über Gott auf ein Minimum zusammenschrumpfte und eher nebensächlich abgehandelt wurde. Ich war damals noch katholisches Kirchenmitglied, Herr Peeters sowieso ... er arbeitete als Seelsorger in einem Krankenhaus.

Und das war nicht ganz stressfrei, denn geleitet wurde das Haus von der weiblichen Fraktion der Katholiken-Front: den Nonnen. Er bezeichnete sie

als "schrillen, meist bösartig pickenden Hühnerhaufen" - und beklagte die strenge Hierarchie, in der die Nonnen in der Krankenpflege deutlich über den Küchen-Schwestern ihren Platz hatten. "Ich glaube", sagte er, "dass die Ranghöheren auch im Himmel auf eine strikte Hierarchie hoffen ..."

Vermutlich kamen sie mit seiner lockeren Art nicht zurecht. Die aber gefiel mir besonders gut. Er war nicht klerikal verknöchert ... und wir lästerten gerne und ausführlich über die Kirche. Großes Lästerpotenzial gab es auch zum Thema Zölibat: ich kam zu der Überzeugung,

dass er eine Freundin hatte. Zumindest machte er Andeutungen, dass er eine rein weltliche Freundschaft zu einer Frau nicht ausschließen konnte.

Wir haben uns aus den Augen verloren, als ich aus dieser Stadt am Fluss weggezogen bin - und man damals nicht wie heute einen Kontakt mittels sozialer Medien sogar über Kontinente hinweg halten konnte.

Vergessen habe ich Herrn Peeters nie. Immer, wenn ich tieftraurige Geschichten aus der Kirche lese, denke ich an ihn - und weiß, dass nicht alle schlecht waren und sind ...



Guten Tag, Gruß Silvia 



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