Interview mit der Schauspielerin Jutta Kammann und ihrer Freundin Emilie (Mia) Springer
Glück kann auch ein Ort sein
Vor einiger Zeit hatte ich ein Interview mit Jutta Kammann über ihr Leben als Schauspielerin und anlässlich ihres Buches "Rothaarig und wild entschlossen" -
dieses Buch möchte ich meinen Lesern noch einmal ans Herz legen, denn die ehrliche und reflektierte Lektüre lohnt es, zu lesen - sie schenkt einen Blick auf ein beinahe ganzes Leben einer Frau, die fast jeder in Deutschland kennt.
Mein erstes Doppelinterview mit zwei Damen - und obwohl wir im Telefongespräch drei Frauen waren, hat es weder Unstimmigkeiten noch Widersprüche noch ein "ich lass dich nicht ausreden" gegeben.
Es war insgesamt ein sehr angenehmes Gespräch mit zwei weltoffenen und -erfahrenen Frauen, die in ihrer Rentenzeit erkannt haben, was wirklich wichtig ist.
Beide wollten nicht mehr allein leben - und doch allein sein dürfen und ihren eigenen Lebensmittelpunkt in einer Gemeinschaft ohne Zwang erleben.
Gefunden haben sie sich in der Senioren-Residenz Augustinum im Münchner Südwesten in Großhadern. Der Weg für die beiden Frauen und heutigen besten Freundinnen war ein differenter:
Emilie Springer hat schon immer in dieser Gegend gelebt. Sie wollte ursprünglich mit 12 Freundinnen in einem Haus eine Alters-WG zu gründen. Dieser Plan hat sich zerschlagen - aber 8 dieser Freundinnen leben nun bereits im Augustinum bzw. stehen auf der Warteliste.
Von dem Begriff "Altersheim" müssen wir uns hier völlig verabschieden. Es ist eine Stätte für den neuen Aufbruch in einen neuen Lebensabschnitt.
Jutta Kammann hat sich hier und dort nach einem Platz für ihren dritten Lebensabschnitt umgesehen - und dann eine Bauchentscheidung fürs
Augustinum-Neufriedenheim
getroffen. Sie mag die Gegend, sie ist ihr vertraut.
Freundschaft, die am 1. Tag begann
Und zwar am 1. Tag, an dem Jutta Kammann sich an diesem Ort niedergelassen hat. Das war vor 8 Jahren. Zu dem Zeitpunkt lebte Emilie Springer bereits seit 3 Jahren dort.
Frau Kammann, noch neu, hat sich im hauseigenen Restaurant auf die Suche nach ihrem Schauspiel-Kollegen Rolf Schimpf gemacht.
Emilie sah die suchende Jutta und eilte ihr zu Hilfe (später hat sie gesagt, sie hätte Frau Kammann nie angesprochen, wenn sie um ihren TV-Ruhm gewusst hätte - aber Frau Springer sieht wenig fern).
Vielleicht führt das Leben stets die zueinander, die zusammen passen!
Am selben Abend brach sich Jutta Kammann durch einen Sturz über eine Schwelle (das Haus ist barriere-, aber nicht schwellenfrei) das Handgelenk, wurde operiert, aber da sie, wie sie selber tapfer erinnert, noch laufen konnte,
hat sie die bereits gebuchte Reise nach Venetien angetreten. Für diese war auch Emilie Springer angemeldet.
Die beiden Frauen lernten sich immer besser kennen.
Quadratmeter gegen Lebensqualität getauscht
So beschreibt Jutta Kammann ihren Umzug ins Augustinum. Sie hat sich von vielen materiellen Dingen aus reinem Platzmangel getrennt und sie verschenkt. Ins Augustinum kann man mitnehmen, was in die neue Wohnung passt - aber in der Regel war das alte Zuhause wesentlich größer. Bis heute bedauert sie ihren Entschluss keinen Moment.
Emilie, auch liebevoll Mia genannt, erzählt von ihren Kindern, die in einem Schlüssel-Satz ihren Entschluss würdigen:
"Du bist hier im Augustinum immer jünger geworden."
Emilie Springer und Jutta Kammann sind beinahe gleichaltrig. Dass Jutta Kammann nichts von ihrer Vitalität und Jugend verloren hat, kann man hin und wieder noch in neuen Folgen der Serie "In aller Freundschaft" sehen.
Nach ihrem Ausscheiden hat sie regelmäßige Gast-Auftritte.
Rothaarig und wild entschlossen
heißt die Biografie von Jutta Kammann. Diese ist zu Recht sehr erfolgreich und erfordert viele Lesereisen, auf denen sie von
Emilie Springer begleitet wird. Aber die beiden haben noch viel mehr
Freundschaften als nur die zueinander geschlossen. Das ist in dieser Residenz, in der sich auch viele Paare finden (eines hat kürzlich geheiratet - was nicht ganz so oft geschieht, aus gutem Grund vermutlich), nicht ungewöhnlich.
Weder Frau Kammann noch Frau Springer haben jemals bereut, ins Augustinum übersiedelt zu sein. Das ist kein Altersheim,
sondern eine Wohlfühl-Residenz. Aufgenommen wird niemand, der bereits eine Pflegestufe erreicht hat.
Aber Halt!
Denn niemand muss gehen, falls er pflegebedürftig wird.
Es gibt eine konzerninterne Pflegeversicherung, in die jeder Bewohner einen kleinen Monatsbetrag einzahlt. Im Falle, dass
eine Pflegebedürftigkeit eintreten sollte, tritt die Versicherung in Kraft und der betroffene Bewohner
zahlt maximal 500 Euro zusätzlich im Monat, um alle weiteren Kosten abzudecken.
Damit ist sichergestellt, dass niemand allein gelassen wird, falls das Leben eine Breitseite schlägt, die niemand möchte, die aber jeden treffen kann.
Das Augustinum hat einen diakonischen Hintergrund und auch eine ebensolche Philosophie.
Im Haus gibt es neben vielen Freizeitangeboten, die wahlweise angenommen werden können - auch ein Theater (350 Plätze) - aber auch einen hausinternen Internisten und einen Zahnarzt.
Die Kosten
fürs Augustinum (über ganz Deutschland verteilte Residenzen) kann man googlen. Sie sind nicht höher als die für ganz normale Altersheime,
aber eine der besten Alternativen dazu, von denen ich jemals gehört habe.
Das Bewohner-Publikum ist gemischt und beherbergt vom Professor über unsere liebenswürdige Schauspielerin auch frühere Angestellte.
Danke
an Mia Springer und Jutta Kammann für dieses Interview über ihre Entscheidung, mehr als nur ihren Lebensabend, sondern den 3. Lebensabschnitt, in diesem Haus zu verbringen, der so gar nichts von Abendstimmung hat, sondern von
erhöhter Aufbruch-Stimmung. Aufbruch zu neuen Erlebnissen, die sich an jedem Tag manifestieren und die beiden Freundinnen zu ausgesprochen
glücklichen Menschen machen.
Ich habe es von ihnen gehört, und da ich ihnen genau zugehört habe, konnte ich es deutlich nachempfinden:
Der 3. Lebensabschnitt kann der Beste sein.
Für beide Frauen ist es ein Angekommen-Sein in einem guten, teilweise auch geregelten Leben, in dem ihnen niemand Vorschriften macht, sondern alles auf freiwilliger Basis passiert - oder eben nicht. Jeder kann in dem Haus leben wie er möchte - allein in seiner Wohnung oder sich extrovertierter in die Allgemeinheit einbringend.
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