stetig auseinander strebend,
aber gefährlich für jeden, der dazwischenkommt." - Verfasser ist mir unbekannt
Eine Ehe
Paul sitzt nicht zum ersten Mal allein in einer Kneipe und kippt einen Frust-Schnaps nach dem anderen in sich hinein. Je mehr er trinkt, um so schlechter wird sein Denkvermögen. Er hatte gehofft, in den Prozenten eine Antwort auf seine dringendste Frage zu bekommen:
soll ich Mary verlassen und dem Spuk ein Ende bereiten ... oder sehe ich das alles viel zu schwarz?
Natürlich sorgt Paul sich um seine Ehe, die nun in die Jahre gekommen ist. Wann hatte es angefangen, von einem guten Beginn zu einem schlechteren Weitergang zu führen? Er wusste es nicht, hätte weder den Tag noch den Monat, ja nicht einmal das Jahr nennen können.
Er hatte auch keine Idee, seit wann ihrer beider Denkweisen, die anfangs fast beängstigend identisch waren, völlig auseinandergedriftet sind. Sagt sie rot, sagt er grün. Es war bereits zu einem System in ihrer Ehe geworden, sich gegenseitig auseinanderzunehmen, und immer öfter war das sogar recht bösartig.
Ihre Ehe hatten sie im 7. Himmel, der den meisten Liebenden gehörte, geschlossen - aber wo nur hatte sie geendet? In der Küche, im Badezimmer, im Schlafzimmer ...
oder einfach in der zu langen Zeitschleife?
Vielleicht hatten sie in ihrer Ehe auch nur die Freundschaft vergessen und vermieden, denn der Haken an vielen Ehen ist,
dass die zwei beteiligten Personen eben nicht miteinander befreundet sind.
Mary saß zur gleichen Zeit auf der Wohnzimmer-Couch in ihrem gemeinsamen Zuhause und streichelte den alten Kater, der sich an sie schmiegte, als wollte er eine Entscheidungshilfe geben. Wollte er natürlich nicht wirklich, denn er mochte sowohl sie als auch Paul.
Das Problem war, dass Mary Paul nicht mehr mochte. Da nützte auch der kleine Rest an Liebe, den sie für ihn in manchen Momenten noch empfand, nichts. Er war ihr zutiefst unsympathisch geworden.
Sie dachte an die erste Zeit ihrer Liebe zurück und sogar an die ersten wunderbaren Jahre. Warum war davon nichts übrig geblieben, nicht einmal das Gefühl davon, einst so viele Gefühle füreinander gehabt zu haben?
Der Status Quo bedeutete: die Einsamkeit wurde größer, wenn sie mit Paul zusammen war. Ihre Ehe war unmerklich übers
Verfalldatum geschlittert.
Eine Weile kann man nach dem Überschreiten noch von den guten Zeiten zehren - aber wenn man vom anderen
überhaupt nicht mehr träumen möchte? Wenn man ihn lieber gehen als kommen sieht? Wenn der andere einem keinen Anlass mehr zur Freude gab? Sie wusste,
dass er es genau so sah wie sie. Sie waren an den zu vielen gemeinsamen Jahren gescheitert.
Und auch daran, dass sie zwar lange ein Liebes - und recht gutes Ehepaar waren, aber keine Freunde. Sie hatten es nie gelernt, miteinander auch befreundet zu sein.
In Puncto fehlender Freundschaft waren sie sich einig ... aber sonst?
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