Freitag, 27. Oktober 2017

27. Oktober 2017 - Ich war noch nie an den Masurischen Seen und in Allenstein



Mama mit Waldo


Ich war noch nie an den Masurischen Seen
und in Allenstein

Meine tiefen Wurzeln sind im westfälischen Ruhrgebiet und hier besonders in Dortmund so fest getackert, dass ich in den meisten Zeiten überhaupt nicht an die anderen Wurzeln gedacht oder ihnen Beachtung geschenkt habe.

Meine Mutter kam aus Ostpreußen, und sie ist als Vierzehnjährige mit wiederum ihrer Mutter über Dänemark nach Westdeutschland

geflüchtet und strandete als immer noch blutjunges Mädchen in Dortmund. Dort lernte sie irgendwann meinen Vater kennen, und ich hoffe, dass er

ihr, der Prinzessin, ein klein wenig die verlorene Heimat ersetzen konnte. Denn genau weiß ich das nicht.

Nicht einmal sicher bin ich, dass sie am Ende ihres Weges nicht lieber einen anderen Weg gegangen wäre, nämlich den, der ihr in Allenstein vorgezeichnet war. Aber sie war hier im Westen  angekommen und hatte diesen herrlichen Humor, der

manchmal so bitterböse war, dass sie mir Zeit ihres Lebens ein Stück weit die fremde Mutter war.

Das Prinzessinnen-Gehabe hat sie irgendwann zugunsten oder auch als Opfer an die Realität abgelegt, obwohl sie für meinen

Vater, solange er lebte, die Prinzessin seines Herzens blieb.

Da kommen mein verstorbener Bruder und ich ins Spiel. Er hat sich niemals für ihre Geschichte, bevor sie seine Mutter war, interessiert -

ich schon, aber nach ihren Aussagen zu wenig.

Heinz ist jung bei einem Hotelbrand gestorben - solche bitteren Erlebnisse kannte sie, seitdem sie aus ihrer über alles geliebten

Heimat in ein gegenüber Deutschen feindlich eingestelltes Dänemark

flüchten musste.

Trotzdem war sein Tod das Schlimmste, was ihr im Leben zugestoßen ist. Da konnte selbst der verheerende 2. Weltkrieg wohl nicht mithalten.

Und ich als Tochter und ihr sehr ähnlich - habe es nie geschafft, diesen Verlust auch nur ansatzweise auszugleichen.

Obwohl ich vermutlich mehr von der ostpreußischen Seele - oder vielleicht sogar deswegen - mitbekommen habe als mein Bruder.

Warum ich trotzdem noch nie an den von ihr so geliebten masurischen Seen und in Allenstein, ihrem Geburtsort, war, weiß ich gar nicht -

mit dem Auto ist es gar nicht so weit. Von Dortmund aus gibt es einen durchgehenden Zug bis dorthin.

Vielleicht ist es nicht gut, in der Vergangenheit seiner Eltern zu leben - und ich habe es einfach gelassen. Vielleicht hat es mich leider zu wenig interessiert.

Ganz sicher jedoch bin ich nicht sentimental - obwohl das eigentlich das ostpreußische in meiner Seele mir verordnen würde.

Aber auch meine Mutter hatte das Sentimentale irgendwann abgelegt - und die Welt so genommen wie sie war und ist.

Trotzdem fehlt mir die Kenntnis über die vermutlich phantastische Landschaft meiner anderen Wurzel.


Guten Tag, Gruß Silvia

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