Samstag, 27. Februar 2021

27. Februar 2021 - Ommas Küche

 


Ommas Küche

So schlank wie auf dem obigen Foto war meine Oma erst in ihrem letzten Lebensjahrzehnt - nach einem Apoplex.

Vorher war sie, wie man sich eine Oma - hier im Ruhrgebiet Omma gerufen - vorstellt: körperlich füllig, gemütlich, liebevoll, nachsichtig und stets bereit, ihr Enkelkind kulinarisch zu verwöhnen.

Was Letzteres betrifft, sehen viele Menschen in Omas Küche die einzig wahre und gute. Selbst im Nachhinein nach vielen, vielen Jahren und wenn sie vielleicht selber Oma geworden sind, schwärmen viele von Omas Küche.

Aber wird hier nicht eher die Liebe zur Oma mit einer Kochleidenschaft verwechselt, die sie vielleicht überhaupt nicht besaß?

Meine Oma Josefine hatte drei Söhne (mein Vater war der mittlere), und als ihr Mann Silverius Schäfer mit nur 47 Jahren starb, war ihr jüngster Sohn nicht einmal 10 Jahre alt. Für damalige Zeiten ungewöhnlich,  hatte sie ihren letzten Sohn mit Mitte ihrer 30er Jahre bekommen.

Natürlich hat sie ihre Familie als Hausfrau und Mutter stets gut versorgt. Dafür war schon ihr eigener Nutzgarten ein Garant, der hinter einem großen Obstgarten direkt hinter dem Haus (in Dortmund-Schüren)  lag, in dem sie wohnte und das ihrem Schwager Ferdinand, einem Bruder meines mir unbekannten Opas,  gehörte.

Im Nutzgarten gab es alles, was man zum Leben brauchte. Sicher hat er ihnen auch im 2. Weltkrieg wichtige Dienste geleistet. Was gerade nicht wuchs, war zuvor eingekocht worden. Es gab sowohl Gemüse wie auch Kartoffeln und selbst Früchte - zum Beispiel Himbeeren, Brombeeren, Stachelbeeren.

 Den Garten habe ich noch gekannt ...


Kinder und Enkelkinder

lernen auch ihre Essgewohnheiten über (meist) die Mutter oder eine Oma kennen. Es schmeckt ihnen, was sie von beiden vorgesetzt bekommen. Es bilden sich vielleicht ein paar eigene Vorlieben und Ablehnungen diverser Speisen, aber im Grunde

erinnert sich jeder Mensch, der eine gute Kindheit hatte, mit Freude auch an Ommas Küche.

Sehe ich das heute reflektiert, weiß ich gar nicht mehr genau, wie gut meine Oma kochen konnte. Sicher ist aber, dass sie keine Meisterköchin war.

Die Liebe zu meiner Oma ist unzerstörbar - aber waren ihre Kochkünste auch unverhandelbar in Bezug auf die gegenwärtigen anderer Menschen?


Pannas vom Metzger

Meine Oma kaufte Fleisch und Wurst stets beim Metzger, der drei Häuser weiter seinen Laden hatte. Da sie aufgrund des frühen Todes ihres Mannes und keiner eigenen Berufstätigkeit nur wenig Geld zur Verfügung hatte, war sie hier zwar nicht sparsam, kaufte aber stets kleine Mengen. Ihr war es sowieso wichtig, dass keine Lebensmittel weggeworfen werden mussten.

War ich als Kind bei ihr zu Besuch - und das war ich quasi an jedem Wochenende, und eine "Besucherin" war ich ohnehin nicht, sondern ihr Lebensmittelpunkt  - so durfte ich bereits zum Frühstück Wünsche äußern. Meine damaligen lauteten oft unbescheiden (wie sie es mir beigebracht hatte): Gekochter Schinken oder Roastbeef.

Neben Brötchen beim Bäcker kaufte sie dann das von mir Gewünschte beim Metzger. Dass sie selber Rübenkraut auf ihr Brötchen schmierte, wurde mir erst viel später als ein Verzicht ihrerseits zu meinen Gunsten und zugunsten ihrer Geldbörse bewusst. Wie geschrieben, sie hatte nicht viel Geld zur Verfügung. Aber was weiß ein Kind, dem es zudem an nichts mangelt, schon von Geld?

Sie liebte ihr Pannas (oder Panhas). Das ist - oder war - eine preiswerte Ruhrgebiets-Spezialität (heute würde das wohl unter "from nose to tail" fallen), die sicher nicht jeder mag. Meine Oma war eben ganz einfach eine bodenständige Frau ohne Illusionen, aber mit jeder Menge Humor und der Begabung, sich selber niemals in den Mittelpunkt zu stellen.

Da Menschen wie sie immer andere in ihrem Fokus haben, sah ich mich zeit ihres Lebens als Dreh- und Angelpunkt der Welt - aber jede Sorge darüber ist unbegründet,

da ich noch rechtzeitig die Kurve vom verwöhnten Blag zum normalen Mädchen (und schließlich Frau) bekommen habe.


Ommas Küche

war sicherlich nicht perfekt oder von einer ausgeklügelten Raffinesse. Allerdings wusste sie aus den einfachsten Zutaten und dem, was der Garten (oder der Keller mit seinen Einmach-Gläsern) gerade hergab, das Bestmögliche zu zaubern.

Ich habe für diesen Beitrag die Augen ganz fest zugekniffen, um mich in die damalige Zeit zurückversetzen zu lassen ...

sie war eine wirklich schöne und lange Phase in meinem Leben, eine, in der ich meine Omma begleiten durfte (nachdem sie viele Jahre mich begleitet hatte),

aber Küchen-Highlights gehörten nicht dazu.

Meine Oma stammte einfach nicht aus einer Epoche, in der Menschen die Muße hatten, sich das Kochen als Hobby anzueignen, sondern

kochten, um ihre Familien satt zu machen. Da war für Schnickschnack jeder Art einfach keine Zeit.

Oma Josefine, die einzige Oma, die ich hatte, ist unvergessen.

Guten Tag, Gruß Silvia 


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