Nicht für alle ist dieser Streik eine existenzbedrohende Angelegenheit, weil sie zu wichtigen Terminen nicht fahren können oder nicht zu ihrem Arbeitsplatz gelangen. Auch die Vereinigung der Bären- und Schoko-Ticket-Inhaber ist ihres Hobbys beraubt worden, mit der Bahn zu fahren - um die Nachbarstädte zu belagern. Die müssen nun alle in der Stadt bleiben und sehen, wie sie sich die bahnlose Zeit vertreiben. Die Auswirkungen sind spürbar.
Ich will zum Supermarkt laufen, als der Beifahrer eines Autos, der wohl gerade vor lauter Not vom Schrottplatz weggekauft wurde, einfach ohne Hinsehen die Tür öffnet und mich fast umhaut. Richtig umgehauen hat mich dann die Frechheit des Bürschchens, der mich auch noch duzte. Und das im schlimmsten Ruhrpott-Deutsch, das schon an Körperverletzung grenzt.
Schnell durch den Supermarkt laufen ist auch nicht. Lauter Bären-Ticket-Inhaberinnen kaufen dort ein was das Zeug hält. Ich muss schnell meinen Kalender rausholen, um zu überprüfen, ob nicht doch schon Weihnachten direkt vor der Tür steht. Nein, sieht nur so aus! Die nutzen die bahnfreie Zeit vermutlich alle für's Plätzchenbacken. Es könnte sein, dass gleich das Mehl bei Edeka ausverkauft ist. Und die Eier und und und.
Der Rückweg fühlt sich an wie ein Hindernisgehen: Die Ladies und Gents haben ihre Fahrräder rausgeholt und bevölkern die Bürgersteige. Na, sag mal was dagegen, dann werden die auch noch pampig. Irgendwie schlängele ich mich durch und verliere nur hier und da ein paar freundliche Worte, wirklich nur ganz wenige. Rasch muss ich nämlich noch zum Hauptbahnhof zum dortigen Bäcker. Man will ja nicht schuldig sein, wenn der auch noch wegen dem Bahn-Streik pleite geht. Aber so unbelebt ist der Bahnhof gar nicht: Hier und da haben sich ein paar Grüppchen zum gemeinsamem Gedankenaustausch über den Streik und zum Glotzen auf die Anzeigetafel eingefunden. Hinter den meisten Zügen steht: Fällt heute aus. Das ist doch mal ein abwechslungsreiches Programm.
Ich kaufe mein Brot und komme auf dem Heimweg an der Bushaltestelle vorbei. Schon bewaffnet mit ihren Bären-Tickets warten sie in Scharen auf die Verkehrsmittel, die jetzt die Bahn ersetzen müssen. Schön, wenn das im Feierabend-Verkehr passiert oder sie den Bus belagern, der von der Uni kommt und ohnehin voll ist. Aber da kennen die nix! Sprich mir bloss keiner mehr von der Abhängigkeit zum Internet. Da draußen auf den Straßen tobt der richtige Bär. Der wildeste ist die Meute der Bären-Ticketer.
Ab Montag kann man aufatmen, da verteilen die sich wieder gleichmässiger übers Land. Doch bis dahin habe so einige auch ihre Nerven verloren.
Gruß Biene
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