Samstag, 20. März 2021

20. März 2021 - Telefon-Interview mit Maria Anna Mossel vom 15. März 2021 über den Corona-Tod ihres Vaters

 



Zu dieser traurigen Geschichte
gehört ein fröhliches Foto, das die ganze Lebensfreude
von Arnold, Arie genannt, zeigt.

Arie inmitten seiner Familie. - Die Fotos wurden mir von seinen 3 Töchtern Marianne, Petra und Diane zur Verfügung gestellt. Ich habe aus vielen Fotos eine kleine Auswahl getroffen.

Wenn wir die Erinnerungen an geliebte Verstorbene in Worte fassen und mit anderen teilen, dann bauen wir eine Brücke, über die der Schmerz den Weg aus unseren Herzen findet.
- Michael Haseloff




Interview mit Marianne über den Corona-Tod ihres Vaters

Was machen drei Töchter, wenn ihr Vater ihnen seine Corona-Erkrankung verschweigt?
 

Das ist Arie

Erst einmal stellt mir Marianne ihren Papa vor:

88 Jahre alt, Sportskanone, Fahrradfahrer für Profi-Runden, Tischtennis-Spieler, insgesamt topfit. Er lebt allein in einem kleinen Haus in Haaksbergen (in der Nähe von Enschede), und an jedem Montag hat er für sein Haus eine Putz-Hilfe. Ansonsten und den Rest inklusive täglichem Kochen macht der übergründliche alte Herr noch selber, auch seinen Garten bewirtschaftet er.

Fürs Gehirn-Jogging ist gesorgt, denn er spielt leidenschaftlich gerne Bridge.


Kranken-Vorgeschichte

Arie hat in 25 Jahren zwei Krebserkrankungen mittels umfangreicher Therapien überstanden, die letzte war ein Leberkrebs vor 15 Jahren.

Er war - besonders während des Leberkrebses - bereit zu jeder Behandlung, und sei sie noch so schmerzhaft, denn er wollte 100 Jahre alt werden ...

und war auf dem besten Weg dorthin.


Die Corona-Infektion

Mit seinem Bruder war Arie Mitte September 2020 in einem Hotel in Almelo.

Während des 1. Lockdowns in Deutschland, lief das Leben in Holland weitgehend in normalen Bahnen weiter.

Arie quälte sich etwa eine Woche zu Hause mit Krankheitssymptomen, bevor er zu einem Arzt ging - und schließlich in ein Krankenhaus kam.

Durch eine Cousine, der Tochter von Aries Bruder, erfuhren schließlich seine drei Töchter von der Krankheit ihres Vaters. Er selber hat es ihnen nicht gesagt ...

Marianne vermutet hierzu, dass er sich geschämt hat und gehofft habe, es ginge glimpflich aus.

Die Scham vor gewissen Krankheiten ist schließlich nichts Neues oder Unbekanntes.


Aries Symptome

Sein Allgemeinbefinden war absolut am Boden. Die extreme Luftnot bescherte ihm noch die damit verbundene Urangst aller Menschen. Er war überhaupt nicht mehr hungrig und mochte nichts essen.


Nächtlicher Besuch in Enschede im Krankenhaus

Nachdem Aries drei Töchter endlich erfahren haben, dass ihr Vater krank ist, machten sie sich sofort auf den Weg nach Holland.

Sie erreichen etwa um Mitternacht am 7. Oktober 2020 das Enscheder Krankenhaus. Marianne beschreibt das Ambiente der Klinik als eine Art Raumschiff.

Allerdings konnten die Schwestern ungehindert hineingehen, in Straßenkleidung und nur mit Stoffmasken ausgestattet.

Sie durften auch ihren Vater auf der Corona-Station besuchen.

Er war bei vollem Bewusstsein und klar im Denken und Sprechen, hört sich allerdings krank an.

Umarmen und an seinen Händen halten durften sie ihn nicht.

Tagsüber sah es auch in diesem Krankenhaus ein wenig anders aus, denn es gab Wachleute.


Ein Abschied für immer

Arie selber hat entschieden, dass er an kein Beatmungsgerät angeschlossen werden wollte, wenn die Aussicht auf Heilung nicht gegeben sei.

Ein paar Tage später empfahlen die Ärzte, seine Morphin-Gaben zu erhöhen. Vorher wollte er jedoch noch mit jeder seiner drei Töchter sprechen:

Vollkommen klar bei Bewusstsein, hat er ihnen gute und sehr persönliche Worte auf ihren zukünftigen Weg mitgegeben, den sie nun ohne ihn weiter bestreiten müssen. An seine Enkelkinder und Schwiegersöhne hat er in seinen letzten Worten ebenfalls gedacht.

Arie starb am Mittag des 10. Oktober 2020.




Inzwischen

ruht Aries Asche in einem Beerdigungs-Institut in Haaksbergen. Über eine Vorsorge im Falle seines Todes wollte er, als es noch Zeit gewesen wäre, nie sprechen ...

er wollte immerhin 100 Jahre alt werden.

Während Marianne mir von ihrem Vater erzählt, habe ich keine Sekunde daran gezweifelt, dass es ihm ohne Corona auch gelungen wäre.

Am Telefon spüre ich, dass es Marianne teilweise schwer fällt, weiterzusprechen ... und ich schlage vor, dass wir das Interview ein anderes Mal zu Ende führen ... aber sie ist tapfer, und nach einer kleinen Pause kann sie mir mehr erzählen:

Es war geplant, Aries Asche an Ostern 2021 in Haaksbergen in der schönen Natur zu verstreuen (das ist in den Niederlanden erlaubt) - im Kreise der engen Familie.

Das wird nun nicht möglich sein, und Aries sterbliche Überreste müssen noch eine Weile auf ihre Bestimmung, ein Teil der Natur zu werden, warten.


Danke, liebe Marianne für dieses Interview. Auch Danke an Petra und Diane, die ihre Zustimmung dazu gegeben haben.

Als Familie wünsche ich euch viel Kraft. Einen Vater kann niemand ersetzen.


Trauer ist kein Ort, an dem du leben musst, lass dich dort nicht nieder. Du bist nur auf der Durchreise.
- Michael Haseloff (*1977)

In stillem Gedenken an Arie. Durch Mariannes Schilderungen werde auch ich ihn nie vergessen.



Guten Tag, Gruß Silvia 


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