Mündlich hatte sie oft schwere Geschütze in ihrer Wortwahl parat, vor deren Spitzfindigkeiten niemand sicher sein konnte. Sie war aber auch die, die jedes Fest mit guter Laune aufwerten konnte, oder die, die für ihre Freunde stets ein offenes Ohr hatte.
Nur im Schriftlichen brachte sie in Gedichtform ihre zarte Seite zum Vorschein. Sie schrieb viele Gedichte, bereits als Kind. Zum Beispiel über ihre 1. Malteser-Hündin "Pünktchen". Im vielleicht stillen Kämmerchen hing sie ihren Gedanken nach. Und nicht immer waren sie wie in obigem Gedicht der Liebe zugewandt - als 14jährige floh sie mit ihrer Mutter aus Allenstein in Ostpreußen über die Ostsee nach Dänemark. Dort entstanden Gedichte gegen den Krieg - und auch solche, die über das Leid der deutschen Flüchtlinge während der Flucht oder in einem Lager in Dänemark erzählten.
Zunächst schrieb sie in Sütterlin, später wechselte sie erst zu einem Mischmasch aus Sütterlin und Lateinischer Schrift bis hin zu ausschließlich lateinischer Schrift. Da hatte sie das Dichten längst aufgegeben ... oder es nicht in ihrer Hinterlassenschaft deponiert.
Dass ihre Gedanken, in Gedichte gerahmt, keine große Literatur waren, wusste sie wohl. Aber sie wollte damit auch nie an die Öffentlichkeit gehen.
Wer es dennoch lesen kann, dieses Gedicht, das auf einer 2. Seite (die ich hier nicht veröffentliche, zu privat) weitergeht, der hat das Lesenkönnen dieser alten Schrift sicher durch Omas oder Eltern erlernt. Ich kann es lesen. Schreiben kann ich Sütterlin nicht.
Dieses Gedicht hat sie ihrem späteren Mann zur Verlobung geschenkt. Und sie beschreibt ihren Verlobten darin genau so, wie sie ihn sah - und wie andere ihn sahen: kurz gesagt: auf ihn war immer und in jeder Lebenslage Verlass.
Ich muss es wissen, denn dieses Gedicht schrieb meine Mutter, und sie richtete es an meinen Vater. Ich habe es in einer alten Fotoschachtel gefunden, die meiner Mutter gehört hatte. Zu beider Lebzeiten kannte ich diese Zeilen nicht.
Ihr gemeinsames Leben haben sie meistens in Harmonie verbracht - wenn es auch eine große Krise gab, als ich 11 Jahre alt war. In meiner Erinnerung hat sie etwa zwei Jahre gedauert. Sie haben sie
überwunden, und sie sprachen nicht mehr darüber.
Es war eine "Sache" zwischen ihnen beiden, und das war in Ordnung. Bis zum Tod meines Vaters lebten sie harmonisch miteinander. Sie starb viele Jahre nach ihm in 2010. Er starb viel zu früh mit gerade einmal 64 Jahren.
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