Hauptgang: „Waldsteg“: Kräuterseitling, Kartoffel, Spitzkohl
Nachtisch: „Beerenwiese“: Schokolade, Beeren, Blumen
Permanenter Redeschwall erfordert ein starkes Nervenkostüm
Wenn man Leute wie Chérine einmal wirklich in einem Wald trifft, in dem sie angeblich "voll runter kommt", dann muss man sich auf einen längeren Wortschwall einstellen, während der Hund mit den Pfoten scharrt, weil er die menschlichen Bedürfnisse nach ständigem Mitteilungsselbstverständnis nicht nachvollziehen kann - und am Ende kann man sich auch als Mensch überhaupt nicht mehr an die Inhalte dieser ausschweifenden Texte erinnern.
Chérine findet keine Balance zu einem interessantem Erzählen, sondern labert einfach drauflos.
Beruflich ist die gebürtige Niederländerin Unternehmerin. Die Branche wird nicht genannt, aber es muss eine sein, in der sie verdammt alle zur Verfügung stehenden Wörter benutzen kann. Sie hat sich bereits am Montag für den Einsatz immens vieler Worte eingesetzt,
aber heute toppt sie dieses noch einmal, denn es ist "ihr" Tag, "ihr" Dinner, und zu dem gehören ihre Geschichten.
Das Menü
Chérine nennt es "Collect Moments, not Things", und ich ändere es ab in
"Collect Words, not Sense".
Alles Zubereitete folgt dem Muster der bestmöglichen farblichen Zusammenspiele. Insgesamt geht es mehr um die Schönheit als ums eigentliche Kochen. Mit Hilfe eines Sternekochs, den sie gern erwähnt und auf dessen Bekanntschaft sie vermutlich sehr stolz ist, bringt sie die einzelnen Zutaten zu einer Komposition zueinander, die alle Augen blenden. Zwar denke ich, dass es schmeckt, aber auch, dass die Begeisterung ihrer Gäste einer von ihr gewollten Suggestion folgt.
Die Frage ist: wieviel Anteil hat der heute beworbene Sternekoch an dem Menü? Gehört ihm vielleicht sogar die Schneidemaschine, die heute ein Hauptdarsteller ist?
Ich sehe kein Brot zur Vorspeise. Falls ich das übersehe, habe ich jedoch ganz sicher nicht gesehen, dass sie eines gebacken hat. Sie ist sowieso eher auf die kalte Küche fixiert.
In der Hauptspeise werden die Seitlinge auf Jakobsmuschelgröße zusammengeschnitten und dann noch mit dem Hashtag-Symbol # geritzt, was offenbar sehr wichtig ist ...
Von der Zubereitung des Nachtisches sehe ich rein gar nichts. Wie aus dem Nichts erscheint alles, um von ihr auf die Teller drapiert zu werden. Kleckse treffen andere Kleckse, Farben spielen mit anderen Farben und ein Wort folgt dem nächsten wie Donnerhall. Am Ende kommt ein Durcheinander zustande, das man durchaus als nett ansehen kann, aber eben auch als heilloses Durcheinander.
Fazit
Vor lauter Reden hat Chérine kaum Zeit, selber etwas zu essen. Als sie ihre Gäste bittet, den Kartoffelberg im Hauptgang zu erklimmen ... bin ich gedanklich raus aus ihrem Spiel. Neben ihren vielen Reden gibt sie noch die perfekte Lachkanone. Man möchte zurückschießen ...
Die Leute an ihrem Tisch hat sie gut im Griff, denn mit ein paar auch rührseligen Erinnerungen kann man als guter Gast schließlich gar nicht anders, als ergriffen und hin und weg zu sein.
Dem sicherlich guten Menü steht ihr anstrengendes Wesen gegenüber. Ich gucke auf die Uhr und bete, dass es 20.15 Uhr wird.
Vorher bekommt sie noch die Punkte: Je 9 von Paul und Serkan, je 10 von Thibaut und Claudia.
Mit 38 Umdrehungen in schwindelnder Höhe hat sie den Gewinn so gut wie sicher in der Tasche.
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