Kurzgeschichte in 2 Teilen
1. Teil
Der Himmel kann ganz schön teuflisch sein ...
Karl wusste, dass seine Tage gezählt waren. Seit einem Jahr litt er an einem Bauchspeisendrüsen-Tumor, der sich jetzt streuenderweise in seinem Körper breit gemacht hatte. Eine Aussicht auf Heilung bestand nicht. Aber Karl
war nicht so traurig wie er es eigentlich gedacht hatte. "Es ist wohl, dass man sich irgendwann mit dem eigenen Tod arrangieren kann, selbst, wenn man so gerne gelebt hat wie ich", schwach drückte er die Hände von Susanne. Susanne ihrerseits wollte ihn halten, festhalten, nicht gehen lassen ... sie weinte leise.
Er sah sie mit den trüb gewordenen Augen an: "Ich wollte, es gäbe einen Himmel. Allein schon deshalb, weil ich dann sicher sein könnte, dich irgendwann wiederzusehen."
Aber Karl glaubte nicht an ein Leben nach dem Tod. Er war durch und durch Atheist. Mit dieser Einstellung hatte er in seinem Leben beinahe nichts ausgelassen, was ihm Freude bereitet hat ... nicht immer hatte das geklappt, aber oft.
Seine größte Freude und größte Liebe war Susanne. Sie traf er vor 10 Jahren, als er bereits 60 Jahre alt und zweimal verwitwet war. Seitdem hatte er keine trüben Tage mehr erlebt, und daran änderte auch seine Krankheit nichts. An irgendetwas muss man schließlich sterben, dachte er, und es gibt so viele Möglichkeiten, den Tod zu finden - da ist für jeden einzelnen Menschen etwas dabei.
Susanne war fast 20 Jahre jünger als er, aber das war damals nicht ausschlaggebend gewesen: er hatte sich vor allem in ihr sanftes Wesen verliebt, und nach dem Stadium der Verliebtheit war es für beide in Liebe übergegangen. Nun war Karl sich bewusst, dass er Susanne allein zurücklassen musste. Er liebte sie so sehr, dass er hoffte, sie würde es sich mit der Trauer um ihn nicht allzu schwer machen.
Darum bat er sie auch ... mit seiner leise gewordenen Stimme. Er bat sie inständig.
Susanne nickte, aber sie wusste, dass sie ihn zum ersten Mal in diesen 10 Jahren belügen würde: sie würde ihm in den Stunden und vielleicht Tagen, bevor er sie verlassen würde, alles versprechen, was er ihr abverlangte, aber am Ende würde sie unendlich um ihn trauern. Karl war die Liebe ihres Lebens, und die streifte man nicht ab, als handele es sich um ein kleines schönes Kapitel oder eine Episode.
Es dauerte noch drei Tage, bis Karl in Susannes Armen starb. Er starb mit einem Lächeln auf den Lippen ...
Plötzlich Himmel
Karl war mit seinem lebenslangen Atheismus im Irrtum gewesen. Es gibt einen Himmel. Einige Zeit befand er sich in einem schwebeartigen Zustand, in dem er beinahe nichts fühlte als eine entspannte Leere. Das einzige, was ihm an dann Gedanken in den Sinn kam, waren die an seine ersten beiden, dann tödlich verunglückten Ehefrauen
Karin und Paula. Er fragte sich in diesem scheinbar luftleeren Raum, warum er ausgerechnet an sie denken musste.
Seine große Liebe war doch Susanne!
Ganz anders verhielt es sich mit Karin und Paula. Er hätte beide Frauen liebend gern verlassen, aber er war ein Mann ... und nicht sehr entscheidungsfreudig. Beide Ehen hatten sich von seiner Seite aus als ein Irrtum herausgestellt. Karin hatte ihm das Leben schwer gemacht, weil sie unter einer unstillbaren Kontrollsucht litt. In dieser Ehe besaß Karl so gar keinen Freiraum. Er verlor alle Freunde, die er gehabt hatte, bevor er Karin kannte. Niemand hatte Lust, sich mit Karin auseinanderzusetzen. Sie war bei allen seinen Freunden so unbeliebt wie bei ihm selber.
Nach vier Ehejahren starb Karin bei einem Autounfall.
Von Paula hatte er zunächst gedacht, dass sie ihm eine gute Frau und verständnisvolle Freundin werden könnte. Nach der Eheschließung entwickelte sie sich jedoch zu einer Tyrannin, die ihn unterdrückte. Freunde hatte er seit der Ehe mit Karin ohnehin nicht mehr, und so fühlte er sich bald wie isoliert von der übrigen Welt.
Nach drei Ehejahren starb Paula bei einem Autounfall.
Und danach ging es für Karl bergauf: er feierte das Leben und nahm alles mit, was sich ihm zum Mitnehmen anbot: Sex, Feiern, Luxus, Freundschaften, Verwirklichung von Reiseträumen, und selbst im täglichen Einerlei fühlte er sich endlich wie befreit. Er wollte nie wieder heiraten, sondern nur noch der Lust aufs Leben frönen. Bis er Susanne traf.
In ihr irrte er sich nicht: sie passte zu ihm, sie wurden schnell zu einem Dream-Team.
Nach 10 gemeinsamen Jahren starb er, und jetzt bekam er eine kleine Ahnung davon, dass er Susanne vielleicht doch wiedersehen würde ... der Schwebezustand löste sich nämlich langsam auf und er hatte einen Blick auf Wolkengebilde.
Wolken 18 und 19
Durch einen Blitzschlag getrennt saßen Karin und Paula auf den Wolken 18 und 19. Obwohl die beiden Frauen ein ähnliches Schicksal auf der Erde erlebt hatten, mochten sie sich nicht besonders. Von wegen, im Himmel ist alles eitel Sonnenschein!
Seit nunmehr Jahrzehnten stritten sie sich darüber, wer Karl als erste in Empfang nehmen dürfte, wenn es eines Tages so weit war.
Karin fühlte sich als seine 1. Ehefrau geradezu berufen, ihn im Empfang nehmen zu dürfen. Paula meinte, sie sei auf Erden die 1. gewesen - und nun stünde ihr dieses Recht zu.
Schließlich mischte sich ein gewisser Petrus ein und verschob den Blitz zwischen den Wolken 18 und 19 auf die Erde, damit beide Frauen Sicht aufeinander hatten. Sie sollten sich endlich zusammenraufen und vertragen. Das war keine Bitte,
sondern ein Befehl.
Jeder hier mochte Petrus, den Direktor im göttlichen Kosmos. Auf ihn hörte man, auf seine Ratschläge konnte man vertrauen ... bislang hatte er sich in die Zwistigkeiten von Karin und Paula nicht eingemischt, aber heute war es Zeit. Er wusste natürlich,
dass Karl im Himmel erwartet wurde. Vielleicht hatte Pettrus auch selber seine Hände in diesem Spiel, denn manchmal machte er völlig von sich aus Schluss mit einem Erdenleben. Zwar überschritt er damit ein paar Kompetenzen, aber hier diente es dem Frieden, den er zwischen Karin und Paula herstellen wollte.
FORTSETZUNG FOLGT
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