Montag, 14. August 2017
14. August 2017 - Sorgen im Schlaraffenland ...
Sorgen im Schlaraffenland
Ein bisschen übertrieben ist es natürlich, gleich von Sorgen im Schlaraffenland zu sprechen, denn die Einwohner kennen kaum dieses Wort
und leben durchweg eintönig durch ihre mit Köstlichkeiten und wunderschönen Kleidern bestückten Tage. Man kann sagen, dass sie in den Tag und die Tage hineinleben,
sich um nichts kümmern müssen als um ihr leibliches Wohl. Dieses schlägt mit vielen Pfunden zu Buche und lässt die Trägheit von Jahr zu Jahr anwachsen.
Bis vor etwa zwanzig Jahren haben sie sich noch ineinander verliebt und als einzigen Akt der größeren Bewegung als der von einer kulinarischen Köstlichkeit zu nächsten,
für Nachwuchs gesorgt.
Diese durchweg leidenschaftlichen Gefühle sind dem dauernden Völlegefühl zum Opfer gefallen, und es gibt keine Kinder mehr.
Das Leben ist geprägt von der bei allen beliebten Langeweile, und es hält keine Abenteuer bereit, die einen Ausweg aus dem täglichen Dilemma
des stupiden Miteinanders aufzeigen könnten.
Trotzdem sind die Schlaraffianer eine durchaus zufriedene Volksgruppe, denn mit welchem Recht könnte man schon bedauern,
immer satt, mehr als satt sogar, zu werden und ein Leben ohne Sorgen zu führen?
Die Köpfe sind eingerostet, während die Töpfe und Teller immer voll sind. Es gibt Seen aus Milch, Bäche voller Wein und Zuckerschlecken ist an allen Häusern möglich.
Nur einer ist unzufrieden, und er wagt es, diese Verdrossenheit auch zu äußern: Zucker-Joe heißt er, und er ist das letzte geborene Kind und mittlerweile zwanzig Jahre alt.
Sein Herz sagt ihm, dass es noch mehr gibt, als sich den Bauch vollzustopfen, und als er eines Tages erstmalig in einem Bach voller Weißwein sein
eigenes Spiegelbild
entdeckt, ist ihm klar, was ihm fehlt:
Ein zweites Spiegelbild neben seinem, das sich in sein Antlitz verliebt und er ihn ihres. Doch weit und breit gibt es kein Mädchen in einem zu seinem passenden Alter.
Unüblich für einen Schlaraffianer, denn große Anstrengungen werden gemieden, macht er sich auf den Weg und die Suche durchs ganze Schlaraffenland, aber überall begegnen ihm dieselben Bilder:
Menschen, die träge herumlungern und ihren täglich größer werdenden Leibesumfang feiern.
Recht verdrossen lässt er sich an einem anderen Weißwein-Bach nieder, weint ein paar Tränen, bevor er sich entschließt,
aus dem Bach zu trinken.
Am Ende liegt er weinselig ein paar Erdbeeren pflückend im Gras und zupft an den Zuckerwatte-Wolken.
Zucker-Joe bekommt eine leichte Ahnung davon, wie sein Leben verlaufen wird - aber für heute macht er sich keine Sorgen mehr,
nein,
die verschiebt er weinbenebelt auf morgen.
Guten Morgen, Gruß Silvia
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