Samstag, 12. Oktober 2019

12. Oktober 2019 - Der christliche Glaube


Foto: S. B./Rom


Der christliche Glaube

Wo das Wissen aufhört, kann der Glaube anfangen. Sicherlich gibt es heute viel weniger gläubige Menschen als in früheren Zeiten. Ich selber wüsste aktuell niemanden, den ich persönlich kenne, der gläubig ist. Ich bin Agnostikerin. Meines Erachtens die einzige Art und Weise, wie man auf etwas weit Verbreitetes, aber Ungewisses, reagieren kann.

Doch der Glaube, wenn er tief von innen empfunden wird - und nicht unter erschwerten Bedingungen streng anerzogen wurde - kann etwas Tröstliches in allen Lebenslagen haben. Er erleichtert Schicksalsschläge oder schwierige Zeiten, sogar den Tod naher Angehöriger kann er ein Stück weit leichter machen, denn der Gläubige ist schließlich sicher, dass man sich am Ende aller Tage wieder sieht.

Meine Oma war gläubig. 1902 geboren, hat sie 2 Weltkriege erlebt, und sie musste den frühen Tod ihres Mannes und sogar ihres zu dem Zeitpunkt seines Todes 21jährigen Sohnes verkraften und verarbeiten. Später musste sie den Tod meines Bruder ertragen, der mit 19 Jahren bei einem Unglücksfall starb - und sie hat ihn mit ihrem großen und ehrlichen und tiefen Glauben besser verkraftet als wir anderen.

Meine Mutter haderte mit Gott, der ihr ihren Sohn genommen hatte. Aber wie kann man mit jemandem hadern, an den man sowieso nicht glaubt? Zu vernünftigen Argumenten hat ein trauernder Mensch oft keinen Zugang - und mangels eines anderen Schuldigen musste eben Gott herhalten. Den es ihrer Meinung nach sowieso nicht gibt. Aber er hatte sie verlassen, soviel stand fest. Für sie.

In der Folgezeit traten meine Mutter und auch mein Vater endgültig aus der Kirche aus. Obwohl ... endgültig? ... da kommt später noch etwas.

Vor meiner Oma verheimlichten sie dies, weil sie sie nicht kränken wollten. Sie glaubte sowohl an Gott als auch an ihre Kirche. Aber damals ahnte ja noch niemand, wozu die Kirche oder deren Vertreter fähig waren. Viele, nicht alle. Beileibe nicht alle.

Ansonsten haben Gott und die Kirche nicht viel miteinander zu tun. Falls es Gott gibt, stehen sie nicht näher mit ihm in Kontakt als wir anderen.

Ich bin auch schon lange aus der Kirche ausgetreten. Die Gründe waren ganz andere als die meiner Eltern.

Trotzdem kann es vorkommen, dass ich hin und wieder Trost in einer Kirche suche. Für ein paar Minuten nur, aber immerhin. Es ist die Umgebung, die etwas Tröstendes hat. Und das empfinde ich auch als Agnostikerin.

Mein Vater ist schon mit 64 Jahren gestorben. Erst im Nachhinein habe ich erfahren, dass es manchmal etwas Endgültiges nicht gibt:

Kurz vor seinem Tod ist er wieder in die Kirche eingetreten.

Er hat sich wohl daran erinnert, dass seine Mutter, meine Oma, nicht nur an Gott glaubte, sondern auch ein christliches Leben voller Nächstenliebe geführt hatte.

Und die vage Vermutung, man könnte ohne Mitgliedschaft nicht in jenen Himmel gelangen, der das Ziel eines guten Lebens ist und die Hoffnung gleichermaßen, wird ihn ebenfalls getrieben haben.

Ähnliches wird mir nicht passieren. Ich bin ausgetreten, und so bleibt das auch.

Dennoch und wenn ich überhaupt mal Neid empfinde, dann für die Menschen, die von ganzem Herzen glauben können. Sie haben einen inneren Reichtum. Ob es nun Humbug ist oder nicht, es hilft ihnen auf ihren Wegen. Immer. Bis zum Ende.


Guten Tag, Gruß Silvia 





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