Robins Schmerzen
Ich habe Menschen erlebt, die vor Schmerzen schreien und damit die ganze Welt und ihr Schicksal anklagen.
Robins Schmerzen waren still.
Robin war mein Augenstern, der unter meiner ständigen Beobachtung gestanden hat, und so konnte ich ihm rasch helfen lassen, denn seine Schmerzen waren äußerlich sichtbar.
Robins Augen-Erkrankung begann Mitte 2018. Die genaue Ursache ist bis mir bis heute nicht bekannt,
aber es ist sehr gut denkbar und recht wahrscheinlich, dass dies durch die
Flexi-Leine, die
eine Freundin für ihren Hund genommen hat, verursacht worden ist.
Plötzlich habe ich eine Art von Schnitt durch seine beiden Augen gesehen ... kurz nach einem Spaziergang mit dieser Freundin.
Diagnose
Die hieß
"Augenulkus".
Das ist traumatisch, also verletzungsbedingt verursacht: am Ende dieser niederschmetternden Diagnose steht oft das sogenannte "Auslaufen des Auges" - oder eine rasche Operation, die in seinem Fall umgangen worden ist, weil er schon über 15 Jahre alt und herzkrank war - und gemeinsam standen
Robin und ich als seine besorgte Hundemutter gleichermaßen mehr als 12 Monate vor diesem möglichen finalen Problem.
Uns beiden zur Seite stand Robins Augentierärztin, die alles getan hat, um seine Augen und sein Augenlicht zu retten.
Robin seinerseits, der natürlich keine medinischen Bücher lesen und verstehen konnte, hat es genossen, genug von seiner Sehkraft - die nicht mehr sehr groß sein konnte - als gegeben hinzunehmen,
denn: er sah noch irgendetwas zwischen all den Nebeln in seinem Augenlicht.
Auch, wenn er stark wie eh und je war und sich nichts hat anmerken lassen, war es klar, dass er Schmerzen hatte,
und die mussten wir durch eine tägliche Schmerzmittelgabe lindern (bis heute bete ich, dass die Menge ausreichend war).
Schmerzmittel in dieser Höhe verknappen leider die Lebenserwartung ...
Medikamente
Damals war Robin bereits fast 15 Jahre alt und herzkrank. Durch Medikamente hatten wir das Herz-Desaster gut im Griff,
aber voller Angst - auch seitens seiner Ärztin - kam nach knapp einem Jahr der Tag, an dem alles getan werden musste, damit seine Augen nicht "auslaufen". Er musste unters Messer und in den Operations-Saal.
Und er war der tapferste Held, den ich jemals kennengelernt habe, denn irgendwie wusste er, was mit ihm geschah:
trotzdem musste Robin sein Augenlicht opfern, damit er weiterleben konnte. Beide Augen mussten ihm entfernt werden.
Sein Stress gegenüber meinem - ich weiß nicht, wer mehr gelitten hat. Robin natürlich, weil er am Ende nicht mehr sehen konnte - und ich,
weil mich kaum etwas in meinem ganzen Leben derart mitgenommen hat wie diese Operation.
Die Operation
Wegen seiner Herzerkrankung hatte ich auf Anraten der Ärzte zuvor davon abgesehen, seine Zähne sanieren zu lassen. Vor der Herzkrankheit wurden seine Zähne in regelmäßigen Abständen saniert.
Nun wurden sie im Laufe der Augen-Operation mit saniert, da er ohnehin in einer dringend nötigen Narkose gelegen hat:
doch gerade deshalb musste die Operation vorzeitig abgebrochen werden:
seine Augen-Tierärztin war zwar nicht seine Operateurin, aber sie war während der OP anwesend: weil sie ihn von allen Ärzten am besten kannte .. und, wie ich später erfahren habe, er ihr eine Herzensangelegenheit war.
Robin konnte eben Herzen für sich gewinnen. Menschen- und Hündinnen-Herzen. Mit fortschreitendem Alter wurde er auch Rüden gegenüber nachsichtiger.
Inmitten der Operation merkte sie, dass er "gehen wollte" - und sie hat den Chirurgen gebeten, die Zahnsanierung abzubrechen ...
Samstagnachmittag und Zahnprobleme
... was sich nach der an einem Dienstag erfolgten Operation am kommenden Samstag rächen sollte. Aber rächen ist ein zu großes Wort,
denn hätte seine Augentierärztin den Eingriff nicht abbrechen lassen ... er hätte nicht noch fünf Monate gelebt.
An jenem Samstag blutete er plötzlich aus dem Mäulchen
Sofort zur Tierklinik, in der zufällig sein Operateur ihn behandelt hat.
Es war eine eher harmlose Blutung im Maul, eine Koagulation. Und rasch konnten wir die Klinik wieder verlassen.
Robin
13. Januar 2004 bis 6. September 2019.
Trotz all der Probleme in seinem letzten Lebensjahr hat Robin ein für einen agilen, temperamentvollen und oft größenwahnsinnigen Yorkshire-Terrier normales Alter erreicht.
Es gab allerdings Menschen, die mir gesagt haben,
dass ich ihn schon früher über die Regenbogenbrücke hätte gehen lassen sollen - nämlich mit Beginn seines Augenulkus.
Seine Augentierärztin, der ich keinerlei finanzielle Gründe unterstelle, hat das nicht so gesehen. Sie hätte ihn andererseits auch niemals leiden lassen.
Robin hatte noch 5 gute Monate ohne Schmerzen.
Am 6. September 2019 habe ich gespürt, das er von mir gehen will.
Wir sind gemeinsam zur Tierklinik gefahren.
Durch einen Zufall und weil er gerade Dienst hatte, hat sein Operateur Robin eingeschläfert. Zuvor wurde Robin unter anderem Blut abgenommen, um die Euthanasie zu bestätigen - oder günstigenfalls verhindern zu können.
Die Diagnose zur Euthanasie lautete schweres Nierenversagen.
Während der Untersuchung war ich mit Robin draußen vor der Tür - und er hat noch einmal im Gras geschnuppert, und das so hingebungsvoll, als wüsste er, dass er den Duft der Natur mit in die andere Welt nehmen müsste.
Die von Robin so sehr geliebte Augentierärztin war an diesem und den folgenden Tagen im Urlaub.
Sie hat mich etwa zwei Wochen später angerufen und zu Robins Tod kondoliert.
Durch ihren Kollegen hatte sie davon erfahren.
Nichts zwischen der Welt und dem Universum kann mich je von Robin und den täglichen Erinnerungen an ihn trennen.
Irgendwann bin ich wieder bei ihm.
Bis bald, denn in der Ewigkeit wird die Zeit ganz anders berechnet, Robin - und auch Bienchen, sie ist ihm in 2021 gefolgt (13. Oktober 2003 bis 25. Januar 2021).
Und bis dahin tobt wieder durch die Wälder, Felder, über alle Hindernisse und zusätzlich vielleicht auch noch durch die Wolken. Und wenn es dann regnet, haben die beiden wohl zu ausgelassen getobt ...
Silvia
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