Anorexie . Aufhören, zu essen ...
Der Schauspieler Jan Josef Liefers hatte einen besten Freund, der (angeblich) aufgehört hat, zu essen. Mit genau 60 Jahren ist dieser Freund vor ein paar Tagen verstorben. Über die Todesursache weiß ich nichts, aber der Tod am eigenen Geburtstag wirkt verdächtig ... Mir ist sein Freund als Schauspieler nicht bekannt, aber die Geschichte dieses Menschen macht traurig.
Aufhören zu essen ist eine Art von Wohlstandsverwahrlosung. Essen hält Leib und Seele zusammen und sowieso hilft Essen dem körperlichen Wohlbefinden, das durch nichts anderes zu ersetzen ist. Essen mussten die Menschen immer - aber:
gab es auch schon immer Menschen, die das Essen derart verweigert haben, dass es ihr Sprungbrett in den sicheren Tod geworden ist?
Wiegt eine Person abzüglich 15 Prozent ihres Normalgewichts spricht man von Anorexia nervosa.
Bedeutet das Wort "nervosa" hier mehr als nur ein Nervös-Sein, wenn es ums Essen geht?
Ich kannte einen Wald-Jogger, der ungemein dünn durch die Gegend gelaufen ist, ohne sie wahrzunehmen. Er lief und lief - und wurde übers Laufen stetig dünner, bis er einem Skelett glich, vor dem man sich hätte fürchten können.
Einmal habe ich ihn zufällig in der Stadt getroffen: bislang hatte ich gedacht, er hätte mich überhaupt nicht wahrgenommen. Falsch gedacht:
er hielt mich an und sagte mir, dass er beim Bäcker "Name des Bäckers lasse ich hier wegfallen" ein Stück
Torte für mich bezahlt und hinterlegt habe.
Womöglich sollte ich ersatzweise das essen, was er sich nicht mehr gönnte.
Was aus ihm geworden ist - ich weiß es nicht. Vermutlich ist er längst verhungert - oder er hat sich am Ende doch noch in den Griff bekommen. Zweiteres glaube ich weniger ...
Ich kannte diesen Mann allein vom dünnen und stets eiligen Vorbeirauschen ... Wie ein Strich in der Waldlandschaft hat er Raum gefordert, manchmal auch den Raum, den gerade andere besetzt hatten.
So hat er Robin oder Bienchen öfter (meine beiden Hunde) touchiert, denn um sie herumlaufen konnte er nicht. Ich hatte oft Ärger mit ihm ...
daher überraschte mich seine Hinterlegenschaft in der Bäckerei umso mehr.
Sollte ich Mitleid haben?
Nein!
Hätte er mir ein Wort gegönnt, warum es ihm so schlecht geht, ich hätte vielleicht eine Art von Mitgefühl entwickelt.
Aber ihm ging es subjektiv gesehen vermutlich überhaupt nicht schlecht, sondern er war in der Höchstphase seines Lebens. Er hatte bis kurz vorm Hungertod abgenommen - und sich somit schon beinahe unsichtbar gemacht ...
Warum wollte er sich unsichtbar machen?
Ich weiß es nicht.
In einer Wohlstandsgesellschaft fällt das Kümmern um Menschen schwer, die sich dem Essen verweigern, dem Grundsätzlichen also, um am Leben zu bleiben.
Irgendwann ist irgendetwas schiefgelaufen
... und auch dem kann ich oder nahestehende Personen nur entgegenwirken, wenn man mir oder ihnen davon erzählt. Aber Menschen, die an Anorexie erkrankt sind,
verschleiern ihre Geschichten.
Sie sehen nicht einmal in einem Spiegel, dass sie erkrankt sind. Das, was normale Menschen in einem Spiegel sehen, wenn sie z. B. eine Nacht durchgefeiert haben, bleibt diesen Menschen verborgen ...
sie sehen nur, dass sie bei 39 Kilogramm Körpergewicht immer noch zu dick sind.
Vielleicht, und das klingt drastisch, hilft ihnen nur der Hungertod, um ihrem Ideal von einer menschlichen Gestalt in eine
tödliche zu folgen.
Vielleicht ist der Tod ihr wahres Ziel.
Esst endlich! So schwer es auch fällt!
Das möchte ich ihnen - leicht daherredend - zurufen. Niemand verurteilt euch oder mag euch weniger, weil ihr endlich esst!
Happen für Happen! Bis irgendwann auch eine kleine Mahlzeit in den Magen passt. Das kann dauern, aber
Essen ist der Preis, den auch ein an Anorexie erkrankter Mensch
zahlen muss.
Und geht eurer Krankheit in Gesprächen mit Fachleuten auf den Grund!
Alle anderen essen gerne. - Manche würden gerne essen, obwohl sie nichts zu essen haben und ausgesprochen unfreiwillig hungern.
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