"Aber es ist falsch, wenn man annimmt, dass es sich in dem ‚Weltbühnen‘-Artikel um die Diffamierung eines Standes handelt; es handelt sich um die Diffamierung des Krieges.“ - Carl von Ossietzky
Interview mit Teresa, der Frau eines Soldaten
Teresas Mann war seit Mitte der 80er Jahre als Zeitsoldat tätig. Es ist möglich, dass der Status "auf Zeit" bis zum Rentenalter Gültigkeit behält.
Als sie ihren Mann Jürgen kennen lernte, erzählte er ihr recht bald von seinem Beruf. Alles, was sie bis dato über Soldaten wusste, kannte sie aus den Medien, und sie hatte sich keinen Kopf darüber gemacht, wie das in der Realität und als selber Betroffene, nun Angehörige, aussehen könnte:
Die beiden waren noch nicht lange zusammen, als Jürgen den Marschbefehl nach Afghanistan bekam - und dort für 6 Monate stationiert war.
Ich frage nach ihrer Angst vor solch einem Einsatz, und sie sagt, dass sie am Anfang mehr Angst vor der langen Trennung gehabt habe. Die große Entfernung, das "sich nicht sehen können" bereiteten ihr Kummer. Sorgen, dass ihm etwas passieren könnte, machte sie sich nicht. Noch nicht ... denn ganz so ist es nicht geblieben.
Dennoch durchlief Teresa verschiedene Stadien: Die Angst um ihn und seine Unversehrtheit wurde erst größer, und danach relativierte sie sich. Seine Tätigkeit als inzwischen Reservist oder vielmehr Wiedereinsteller-Soldat auf Zeit macht ihr keine Angst mehr, auch nicht das aktuelle
Einsatzland und -gebiet (von dem sie nichts erzählen darf).
Der Mensch gewöhnt sich eben an vieles. Doch wie es mit der Gewöhnung so ist: Vor einem Jahr erkrankte Jürgen sehr schwer. Und plötzlich war er 24 Stunden am Tag und 7 Tage in der Woche von morgens bis abends zu Hause. Daran musste Teresa sich gewöhnen. Die beiden haben es gut überstanden.
Soldaten sind Mörder - Zitat von Tucholsky
Somit komme ich auf das Eingangs-Zitat zu sprechen: Es bezieht sich auf Tucholskys Aussage: "Soldaten sind Mörder." Dieses stammt aus seiner Glosse "Der bewachte Kriegsschauplatz". Der verantwortliche Redakteur Carl v. Ossietzky wurde 1932 wegen Beleidigung der Reichswehr angeklagt, jedoch freigesprochen,
weil hier keine konkreten Personen gemeint waren und eine unbestimmte Gesamtheit nicht beleidigt werden könne.
Später wurde das Zitat zur Parole von Pazifisten und Anti-Militaristen.
Während ich gedacht habe, dieses Zitat, dass immer noch eine Allgemeinheit über einen Kamm schert, sei längst ausgestorben, macht Teresa als Betroffene ganz andere Erfahrungen:
Logischerweise verfolgt sie die Berichterstattung über unsere Soldaten ... besonders zu aktuellen brenzligen Ereignissen. Doch selber musste sie die bittere Erfahrung machen und sich Fragen wie diese gefallen lassen:
Wie ist es, im Ernstfall mit einem "Mörder" zusammen zu sein?
Dass in jeder Uniform oder Dienstkleidung ein Mensch steckt, erklärt sich natürlich von selber, wird aber offenbar nicht von der Allgemeinheit akzeptiert.
Wenn dieser Soldat in Katastrophen-Situationen im eigenen Land - wie Hochwasser - vor Ort ist, würde ihn auch niemand Mörder, sondern Helfer nennen.
So machen ihr das Umfeld oder auch Kommentare zu Zeitungsartikeln zusätzlich zu schaffen. Jürgen konnte ich zu diesem Satz, der offenbar nicht ausstirbt, nicht befragen. Dieses Interview soll sich auch mehr auf Teresa konzentrieren.
Gäbe es keine Kriege, bräuchten wir keine Soldaten. Aber das ist natürlich eine illusorische Vorstellung.
Gäbe es keine Kriege, bräuchten wir keine Soldaten. Aber das ist natürlich eine illusorische Vorstellung.
Eine große Familie
Zum Glück für Teresa und viele, viele weitere Betroffene ist die Bundeswehr wie eine große Familie. Gerade die Angehörigen der Soldaten verstehen untereinander all die Sorgen, Nöte und Ängste, die der Beruf mit sich bringt. Und sie unterstützen sich. Auch Teresa hat in vielen Jahren erfahren, wie hilfreich diese so wichtige, neben der eigenen, Familie sein kann.
Jürgen ist aus allen Einsätzen unversehrt zurück gekehrt, wenn auch oft unter dem Eindruck des Erlebten. Zu Teresas Zufriedenheit kann Jürgen über das Erlebte sprechen. Die beiden reden intensiv über seine Einsätze.
Aber sie kennen auch Kameraden, die Schlimmes erlebt haben und das im Gepäck mit nach Hause bringen. Oftmals ist solch ein Trauma schleichend und unbemerkt,
und dann reicht manchmal ein Geräusch, ein Geruch oder auch ein simples Erlebnis, um plötzlich in einem Flashback wieder in der Situation zu sein, die man glaubte, bewältigt zu haben.
Seit einigen Jahren hört die Bundeswehr auf diese Hilferufe und reagiert auch entsprechend.
Trotzdem: Mehr Wertschätzung aus der Bevölkerung wäre hilfreich. Dann wüssten die Betroffenen, dass sie auch außerhalb der Bundeswehr nicht allein sind.
Teresa und Jürgen haben während seiner Einsätze Kontakt zueinander. Länger als 5 Tage war sie noch nie ohne Nachricht von ihm.
Ablenkung vom harten Beruf?
Jürgen läuft gerne und nimmt auch an Märschen teil. In Berlin gibt es zum Beispiel den Mauerwegmarsch. Entlang der einstigen Verlaufslinie der Mauer marschieren die Soldaten in kleinen Gruppen und absolvieren verschiedene Stationen. Erste Hilfe, Sandsäcke tragen, Bergen von Personen und mehr. Das muss in einem bestimmten Zeitrahmen erledigt werden. Auch zum Wohle der Zivil-Bevölkerung.
Fähigkeiten werden perfektioniert, damit die Soldaten im Ernstfall und im zivilen Bereich einsatzfähig sind und bleiben.
Jürgen engagiert sich auch in anderen - nicht weiter genannten - Bereichen.
Teresa mag es lieber entspannt. Und am Ende eines Tages treffen sie sich in ihrem Garten wieder. Oder sie treffen Freunde - auch abseits der Bundeswehr-Familie.
Die Freude am Leben darf niemals vergessen werden.
Wünsche?
Unabhängig von dem selbstverständlichen Wunsch, dass Jürgen immer wieder gesund an Leib und Seele nach Hause zurück kehrt,
wünscht sie sich Zufriedenheit für Jürgen und sich selber. Auch in beruflicher Hinsicht. Gleichgültig, wohin ihr Weg sie noch führen wird.
Das wünsche ich Teresa und Jürgen ebenfalls. Ich bedanke mich bei Teresa für dieses Interview, das die Sicht eines Soldaten einmal aus der Perspektive einer Ehefrau zeigt.
Und vielleicht den einen oder anderen Leser zum Nachdenken bringt.
Guten Tag, Gruß Silvia
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