Freitag, 3. Mai 2019
3. Mai 2019 - Samstagnachmittag in der Tierklinik
Samstagnachmittag in der Tierklinik
Niemand geht aus Jux und Dollerei oder weil er gerade nichts Wichtigeres zu tun hat, an einem Samstagnachmittag (oder Sonn- oder Feiertag) mit seinem Tier in eine Klinik. Jeder, der dann hier sitzt und Hund oder Katze mit sich führt, hat ein tierisches Problem ... auch, wenn man es vielen nicht unbedingt anmerkt. Einige starren auf ihr Handy, andere unterhalten sich leise, und wieder andere sitzen wie angewurzelt und festgetackert wie in vorübergehender Katatonie und wünschen sich in die Vergangenheit zurück.
Ich gehöre eher zu der dritten Fraktion. Bitte, bitte, lass das jetzt alles nicht wahr sein. Nach Robins Operation am 2. April 2019, in der auch in der auslaufenden Narkose seine Zähne saniert wurden,
mutierten wir am 6. April bereits zu einem Notfall. Wer denkt, dass nur mein Hund der Notfall war, der irrt - denn mir ging es genau so schlecht wie Robin, der Fontänen aus dem Maul geblutet hat.
In der Klinik bekam er dann eine Art Krampfanfall (es war allerdings keiner, sondern Robins Versuch, sich ein Koagulat aus dem Kiefer selber zu entfernen) - und somit drängelte er sich in der Reihenfolge der Patienten in die vordere Linie. Er kam sofort und ohne mich in die hinteren Räume ...
... und fand zufälliger Weise in seinem Operateur auch den ihn an diesem Samstagnachmittag behandelnden Arzt. Rasch wurde das Blutgerinnsel entfernt. Robin wurde wieder ruhig, ich auch, so ruhig, dass ich in eine Art Rauschzustand ohne Rauschmittel verfiel, denn
so schlimm alles angemutet hatte ... es war nur eine relative Kleinigkeit mit verheerend aussehenden Begleiterscheinungen. Es durfte, sollte ... in den nächsten Tagen zwar nicht wieder passieren ... (das wäre gefährlich geworden, besonders, wenn das Blut nicht mehr geronnen wäre), aber wir hatten den festen Willen, dass es mit diesem einem Mal ausgestanden war. So war es dann auch. Manchmal hilft ein starker Wille. Vielleicht.
Happy schnappte ich meinen blinden Robin, als wir draußen vor der Klinik auf eine Frau trafen, die genau so unglücklich aussah
wie die meisten, die ich an diesem Nachmittag gesehen hatte. Ihre Beine baumelten aus ihrem Auto heraus, und sie rauchte eine Zigarette.
Das dringende Bedürfnis, jemanden zu trösten, überkam mich, denn nach der schnellen Hilfe fühlte ich mich wie eine Olympia-Siegerin, die eine Letztplatzierte trösten wollte. Hatte sie gerade ihr Tier verloren? Ich fragte, warum sie so unglücklich aussieht ...
Tierarzt- oder Tierklinik-Patienten-Begleiter kommen leichter ins Gespräch als es in den menschlichen Praxen der Fall ist.
Und sie erzählte mir auch sofort von ihrem ganzen Unglück.
Ihr Hund war nicht gestorben, aber er lag auf dem Hintersitz ihres Autos, und der Schäferhund war dem Tod näher als dem Leben,
obwohl er erst zweieinhalb Jahre alt war. Ich ging nahe an die Scheibe heran, aber die Hündin reagierte nicht - unüblich für einen mit Leben gefüllten Schäferhund.
Vor einem Jahr hatte sie den Hund aus schlechten Verhältnissen gerettet. Sie hatte sich anfangs gewundert, warum der Hund nicht bellte - und kam dann der Ursache auf die Spur: Der Vorbesitzer der Hündin hatte ihr ein Elektrohalsband umgebunden - jedes Mal, wenn sie bellte, bekam sie einen Stromstoß.
Nun hatte die Hündin vor ein paar Wochen Junge bekommen - per Kaiserschnitt, in einer anderen Tierklinik als dieser. Danach kam sie einfach nicht wieder auf die Beine, und sie wurde noch einmal operiert (ich habe vergessen, warum, immerhin war ich in einem Zustand außerhalb eines normalen und stofflos völlig high, weil wir die Klinik wieder verlassen durften) - doch danach ging es ihr immer schlechter.
Jetzt hatte sie ihr Haus-Tierarzt - sie kam vom Niederrhein - in die hiesige Tierklinik überwiesen. Es war ihre letzte Hoffnung,
denn zu Hause warteten einige Welpen auf ihre Mutter, die sich während all der Zeit seit ihrer Geburt noch nie um sie kümmern konnte.
Wie die Geschichte zu Ende ging, weiß ich leider nicht. Da ich große Stücke auf diese Klinik halte, die Hündin noch jung ist ... hoffe ich, dass sich alles zum Besten gewendet hat.
Aber ich danke dieser Frau auch für ihr Mitgefühl, das sie trotz allem eigenen Kummer meinem Robin entgegen brachte.
Die meisten Hunde-Besitzer verstehen einander sehr gut ... und auch das Leid der jeweilig anderen.
Und: Falls diese Frau zufällig eine Leserin des Blogs ist und dies hier oder den Hinweis auf Facebook liest, soll sie sich bitte bei mir melden.
Ich bitte um Verständnis dafür, dass es von Robin keine Gesichts-Fotos von der Zeit direkt nach der Operation geben wird ... ich werde erst wieder Fotos von ihm veröffentlichen, wenn alle Wunden verheilt und Haare darüber gewachsen sind. Denn ich möchte nicht, dass solche Bilder am Ende durchs Internet kursieren (womöglich noch mit blöden Sprüchen gespickt) wie so viele Fotos von Kindern in ungünstigen oder demütigenden Positionen.
Guten Tag, Gruß Silvia
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