Samstag, 26. März 2022

26. März 2022 - Eine Flucht ohne "Pünktchen"


Eine Flucht ohne "Pünktchen"

Als 14jährige musste meine Mutter Christel ihre Heimat Ostpreußen in 1944 fluchtartig verlassen. Ihre Mutter nahm ihren größten Schatz, das jüngste Kind, natürlich mit auf die Flucht über die Ostsee nach Dänemark, während ihr Ehemann und die drei älteren Söhne in aller Winde verstreut waren. Meine mir unbekannte Großmutter starb später in Dänemark.

Die 14jährige Christel hatte ebenfalls einen großen Schatz: der hieß Pünktchen und war ihre kleine Malteser-Hündin. Pünktchen blieb in Allenstein. Pünktchen wurde von meiner Mutter ihr dann noch  66 Jahre währendes Leben lang vermisst (sie wurde 80 Jahre alt und ist am 18. Juli 2010 verstorben).

Neben dem Dackel "Waldo", der oft bei uns herumlungerte, obwohl er überhaupt nicht der Hund meiner Mutter war, aber sich als ihrer fühlte,

hat mich Pünktchen und die Erinnerungen an sie ein Leben lang begleitet. Vermutlich war die erste Geschichte, die sie mir als Kleinkind erzählte, eine über Pünktchen.

An dem Tag, als meine Mutter in 2010 starb, war ich mit Robin und Bienchen im Wald unterwegs - auf der Rückfahrt in einem Bus erzählte eine Frau, als sie meine beiden sah, ihrer Bus-Nachbarin von ihrem Hund Pünktchen ...

Das war seltsam. Selber habe ich nie auf den vielen, vielen Wegen mit Robin und Bienchen einen Hund namens Pünktchen getroffen.

Im Laufe der Jahre wurde Pünktchen mir stetig vertrauter. Sie wurde zu dem kleinen "Geisterhund", der ein imaginäres Familienmitglied war.

Die Besitzer eines Cafes in Allenstein hatten die Hündin meiner Mutter zu einem ihrer Geburtstage geschenkt, weil auch Pünktchen dachte, sie hätte von Anfang an eher zu Christel als zu ihnen gehört. Und dann musste

meine Mutter ausgerechnet das Vertrauen der kleinen Hündin enttäuschen (obwohl das nicht ihre Entscheidung war, sondern eine der Vernunft, die ihre Mutter getroffen hatte). Wie hätte es gehen sollen, damals einen Hund mit auf die Flucht zu nehmen? Pferde hat man mitgenommen - aber was ist aus ihnen geworden?

Ich weiß nicht, was aus Pünktchen geworden ist. Aber wenn es einen Himmel gibt, an den Christel noch weniger glaubte als ich,

dann sind die beiden seit 2010 dort wieder vereint.


Die Zeiten haben sich geändert

und im jetzigen Ukraine-Krieg nehmen viele Flüchtende ihre Haustiere mit auf die beschwerlichen Wege. Organisationen und auch Privat-Personen kümmern sich darum, Tiere aus dem Kriegsgebiet heraus und in Sicherheit zu bringen. Die Beziehung Mensch-Tier ist in den Köpfen enorm gewachsen. Zum Glück. Leider nicht überall ... 


Anmerkungen

Erst sehr, sehr viele Jahre später hat meine Mutter sich einen eigenen Hund ins Leben geholt, ein Pudel-Mädchen. Panni hieß sie, hatte einige Nachfolger, und allesamt waren sie Pudel.

Mit 74 Jahren allerdings hatte sie endlich den Mut, sich wieder eine Malteser-Hündin "zuzutrauen", ohne dass die Erinnerungen sie traurig überwältigten: Bienchen. Sie wurde in

2010 mein schönstes Erbe.

Und irgendwie war dieses tolle Malteser-Mädchen auch für mich ein Stück weit ein Pünktchen. Malteser und "Pünktchen" und dann "Bienchen" gehörten für mich zusammen.

Sie war lange bei mir und starb am 25. Januar 2021 im Alter von 17 Jahren und 3 Monaten und 12 Tagen.


So hatte ich am Ende auch noch ein Stück vom geliebten Pünktchen sehr lange in meinem Leben. Beide werde ich nie vergessen - die eine unbekannterweise, die andere von ganzem Herzen geliebte und Unvergessene.

Guten Tag, Gruß Silvia 

 

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