Samstag, 23. Januar 2021

23. Januar 2021 - Alternative Fakten: Wilsberg und die Pandemie

Foto: S. B.


 Alternative Fakten
Wilsberg und die Pandemie

Seit geraumer Zeit ist neben vielen anderen Geschäften auch das Antiquariat Wilsberg geschlossen. Zwar war der Laden nie wirklich gut frequentiert, aber Wilsberg hat schließlich schon immer bewiesen, dass er von Luft und Freundschaft und einem zwangsweise rekrutierten Auto leben kann. Nebenher hat er stets Verbrechen aufgeklärt, und dies meistens auch für mehr anerkennenden Lohn als geldlichen. Das lag nicht zuletzt daran, dass seine Klienten Verbrechen zum Opfer fielen, bevor sie überhaupt ihr Scheckheft lüften konnten ... und er als ausgesprochen neugieriger Gutmensch meinte, ihnen wenigstens die Ablieferung ihrer Mörder an die Justiz schuldig zu sein.

In Zeiten von Corona ist alles anders: mögliche Klienten haben kein Interesse oder wegen eigener Pleiten kein Geld mehr, Wilsberg zum Beispiel zur Beschattung der

Ehefrau zu engagieren. Die vertrauen nun völlig auf die bundesrepublikanischen Politiker, die aushäusige Kontaktsperren ausgesprochen haben. Zwar darf man sich mit einer weiteren Person aus einem anderen Haushalt immer noch treffen,

aber auch hier haben die Verantwortlichen der Regierung eine Nummer vor die Tat gesetzt: die Hotels sind allesamt geschlossen.

Fremdgehen ist für viele somit schwierig geworden.


Wilsberg und das Internet

Mit dem Internet steht der ehemalige Jurist Wilsberg sowieso in keinerlei Einvernehmen. Ekki wollte ihm eine Internet-Seite für sein Antiquariat einrichten (um ein paar alte Schinken loszuwerden),

aber stets waren entweder Anna oder Alex bei ihm zu Besuch,

(alle Treffen sind schließlich beschränkt, obwohl niemand weiß, warum die vier nicht sowieso in einem Haushalt leben)

so dass die Tür für Ekki verschlossen blieb.

Georg ist neben seiner Gesetzes- und Verordnungs-Treue eben ein Schlitzohr und will die Corona-Pandemie internetlos überstehen. Das dürfte ihm nicht schwer fallen, denn wie man ohne regelmäßiges Einkommen lebt, hat er in vielen Jahren durchaus unschlüssig bewiesen.

Wenigstens findet er von Zeit zu Zeit ein Lebensmittel-Care-Paket vor seiner Haustür, und der Absender interessiert Wilsberg absolut, aber wie soll er den derzeit ausfindig machen?

Ein Zufall kam ihm letztlich zu Hilfe: ins vierte Paket war eine Sonnenbrille gerutscht! Typisch - da will Overbeck in aller Stille einmal etwas Gutes tun und dann verrät er sich selber.


Wilsbergs Freunde

Overbeck ist natürlich nur ein Teilzeit-Gelegenheits-Freund von Wilsberg - wenn es etwa darum geht, ihn doch noch zur Weihnachtsfeier einzuladen, drückt der Ermittler schon mal ein Auge zu - ansonsten stehen sich beide möglichst breitbeinig im Weg.

Alex ist seine Nichte, die nun ihren gefühlt 100. Arbeitsplatz ausfüllt, und diesmal vertritt sie Scheidungswillige. Das bedeutet, Alex hat jede Menge Arbeit vor der Brust, denn im Lockdown lernen sich viele Ehepaare endlich einmal richtig kennen ... wann diese Ehen allerdings geschieden werden können, steht in den Sternen.

Ekkis Arbeitsplatz ist ebenfalls (noch) gesichert, obwohl im Moment viel weniger Steuern von viel weniger Steuerpflichtigen fällig sind und auf Dauer eine Abspeckung seines Berufsstandes unvermeidbar sein wird.

Als Ekki endlich seinen Freund Wilsberg wieder besuchen darf, weil gerade sowohl Anna als auch Alex mit anderen Dingen beschäftigt sind, sträubt dieser sich vehement gegen eine Einführungsstunde, um in Internet Bücher verkaufen zu können.

Ekki muss schließlich die Flügel strecken und mit dafür sorgen, dass Wilsberg unbeschadet und weder hungrig noch durstig durch diese Zeit kommt.

Anna langweilt sich derweil ziemlich in ihrem Büro. Auch die Verbrechen haben sich minimiert, mangels Gelegenheit für die Gangster. Es gibt kaum noch Einbrüche oder Taschendiebstähle, von Morden zum Glück auch nicht zu sprechen. Vielen potenziellen Tätern fehlt einfach die Motivation, in dieser

Zeit mehr Bösartiges zu unternehmen als unbedingt nötig. Ihnen sind auf ihren Couches die Hände eingeschlafen, und vor lauter Langeweile kann es ihnen nun nicht langweilig genug sein.


Am Ende

wird es Zeit, dass auch Wilsberg in der für ihn völlig unüblichen Jogginghose aus diesem allgemeinen und wirtschaftlichen Tief herausfindet. Drehbuchautoren, die nun lernen müssen,

wie man eine Story mit möglichst wenigen Personen aufs Papier bringt, sind sicher bereits im

Arbeitsmodus. Es sei denn, auch sie sind der Lethargie verfallen und haben sich an ihr festgekrallt.


Guten Tag, Gruß Silvia 

 


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen