Freitag, 23. Oktober 2020

23. Oktober 2020 - Der Beichtstuhl

 

Foto: S. B., Rom


Der Beichtstuhl

Der katholische Pastor Jens Langohr plädierte seit langem dafür, dass er sich die Beichten seiner Schäfchen mit geschlossenen Augen anhören und somit die Dunkelheit des Stuhls voll nutzen konnte, indem er auch noch seine Augen verschlossen hielt.  Aber die Schäfchen

mussten am Ende ihrer Bekenntnisse natürlich eine gehörige Strafe aufgebrummt bekommen. Im Sinne von " 5 Rosenkränze und 3 Ave Maria beten"  etwa.

Hierfür musste Langohr als Richter fungieren und durfte selbstverständlich keine kleinen Sünden mit größeren Bußen belegen als die wirklich großen Sünden.

Allerdings kamen ihm große Sünden kaum je zu Ohren. Er fühlte sich mehr und mehr gelangweilt. Die Leute schienen zu glauben, dass es sich um Todsünden handelte, wenn sie ihrem Nachbarn einen guten Rutsch auf dem Schnee wünschten, im schlechtesten Sinne des Wortes natürlich. Also ... sie sollten schon drauf ausrutschen.

Na und? Das waren menschliche Regungen, die auf die Wirklichkeit keinen Einfluss hatten. Anders sähe es nur aus, wenn man den Nachbarn schubsen würde ... aber die meisten begnügten sich mit bösen Gedankengängen.

Neuerdings belästigten ihn auch reuige Sünder mit ihren Taten, die sie für soziale Netzwerke im Internet in die Tasten hackten. Immerhin schrieben sie (Langohrs Schäfchen) nur und setzten ihr Geschreibsel nicht in Tatsachen um.

Langohr fragte sich, ob Gott überhaupt Interesse am Internet hatte? Immerhin dürfte er inzwischen ein recht müder, alter Mann sein, der die Erschaffung der Welt ziemlich bereut.

Er gab den Menschen die Meinungsfreiheit mit auf den Weg, aber viele denken, sie haben Krawall-Freiheit. Die allein ist jedoch noch nicht strafbar, wenn auch verurteilenswürdig.

Egal, Pastor Langohr hatte die endlosen Sitzungen in seinem Beichtstuhl so satt. Noch nie war die Polizei auf ihn zugekommen, um ihn zum Brechen des Beichtgeheimnisses zu veranlassen. Noch nie hatte ihm jemand eine extrem böse Tat gebeichtet.

Er musste wirklich eine Horde von ziemlich lieben Art-Genossen in seiner Gemeinde beherbergen.

Und dann kam die Corona-Zeit. Schnell überschlugen sich die Beichtenden mit ihren Bekenntnissen zu mehr Egoismus als je zuvor. Sie beichteten, dass sie Klopapier horteten ... und somit dafür gesorgt hatten, dass es jetzt Leute gab, die keines mehr hatten.

Sie beichteten, dass sie gegenüber ihren Nächsten böser wurden, was ein Resultat aus eigenem Frust war.

Welche Buße sollte er den Klopapier-Sündern aufbürden? Um die Bösen wollte er sich aktuell nicht kümmern.

Pastor Langohr machte sich nach der fünfhundertsten Beichte der Klopapier-Art auf den Weg zum nächsten Supermarkt, um

Klopapier

in Mengen zu kaufen.

Sicher ist sicher.


Guten Tag, Gruß Silvia 

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