Das Foto zeigt Nelly und wurde mir von
ihr zur Verfügung gestellt
Telefon-Interview vom 3. Mai 2017 mit Nelly:
Sie leidet an Depressionen und spricht darüber
Um Missverständnissen vorzubeugen: Ich leide nicht an Depressionen, aber mich interessieren Menschen, die gegen ihre Dämonen kämpfen müssen und ich bewundere die Kraft,
die viele dafür aufbringen.
Die zauberhafte Nelly
will man angesichts dieses Fotos sagen und ihr ein ebenso bezauberndes Leben zuordnen. Aber leider wäre dies zu einfach,
und es entspricht in diesem Fall auch nicht der Realität:
Nelly ist an einer tiefen Depression erkrankt,
und Nelly ist erst neunzehn Jahre alt.
Im August 2016 wurde die ärztliche Diagnose gestellt.
Zuvor fiel ihrer Schwester, die sie in ihrer eigenen Wohnung besucht hat, auf, dass Nelly bis zu 18 Stunden pro Tag geschlafen hat.
Darauf angesprochen, machte Nelly zunächst einmal einen Test im Internet - da ist sie also ganz in ihrer Generation, die mit dem Internet aufgewachsen ist, verwurzelt. Sie sagt, dass es ein seriöser Test war.
Zum Glück ging sie anschließend zu einem Facharzt für Psychotherapie, der dann die endgültige Diagnose gestellt hat.
Von Januar bis zum 14. März 2017 verbrachte sie in einer Klinik.
Wie sie sagt, war das ihre beste Entscheidung.
Dort wurde festgestellt, dass es auch eine Verdachtsdiagnose auf Borderline gibt.
Nelly hat bereits als Kind häufig gedroht, sich selber zu töten und wurde grundlos aggressiv.
Ihre bis jetzt andauernde Erkrankung führt sie auf genetische Komponenten zurück - und auf den frühen Auszug aus dem Elternhaus,
der sie in eine andere Stadt führte. Dort war sie letztendlich sehr einsam und allein - bis auf ihren heutigen Ex-Freund, mit dem sie derzeit noch immer in einer gemeinsamen Wohnung lebt. Doch diese Geschichte ist durch - das ist für sie kein Problem, soviel ich ihren Worten entnehmen kann.
Denn am Telefon erlebe ich eine sehr aufgeschlossene junge Frau, der die ganze Welt offen stehen könnte - nicht einen Moment der Unsicherheit gibt es,
und dennoch sind die Dämonen vorhanden.
Sie bastelt, sie mal, sie schreibt - und dennoch sind die Dämonen da.
Dreimal pro Woche wird sie von einem ambulanten Pflegedienst besucht:
Der Hintergrund ist, sie zu wecken, eine halbe Stunde mit ihr an einem Tisch sitzend zu reden - um auf diese Art eine Struktur für Nellys Tag aufzubauen.
Mit ihren Bastelarbeiten, Malereien und den schriftstellerischen Ambitionen versucht sie oft auch selber, Struktur in ihr Leben zu bekommen.
Über den Weg in und mit der Depression hat sie auch schon geschrieben.
Doch die Depression krallt auch im Körperlichen ihren Tribut:
Sie ist schnell erschöpft und bekommt in Stress-Situationen Herpes und Herzrasen ist ihr nicht fremd. Das bekommt sie, wenn sie wieder einmal stundenlang "geheult" hat.
Der Leidensdruck ist enorm, denn Nelly möchte permanent ihre Fassade aufrecht erhalten. Das bedeutet,
sie legt unheimlich großen Wert auf ihr Äußeres.
Schon in der 5. und 6. Klasse in der Schule hat sie gemerkt, dass man einfacher durchs Leben kommt, wenn
man besser aussieht.
Also trägt sie, wie sie es nennt, beim Ausgehen permanent eine Maske: Perfektes Make-up, Schulter gestrafft, Kopf hoch, lächeln ...
"Wir sind die besten Schauspieler", hat ein Mit-Patient in der Klinik zu ihr gesagt,
und so geht Nelly durchs Leben.
Sie möchte kein Mitleid - sondern nur als strahlende junge Frau gesehen werden. Die sie in Wirklichkeit leider nicht ist.
Nelly ist zur Zeit noch bis August 2017 krank geschrieben. Sie macht eine Ausbildung bei der Stadt, der öffentlichen Behörde.
Und wie träumt sie sich ihr Leben?
Es ist nichts Hochtrabendes, nichts wovon viele andere träumen:
Sie möchte nur vernünftig im gesellschaftlichen Leben
ankommen.
Nelly! Flieg! Dich! Irgendwann! Frei!
Und vielen Dank, liebe Nelly für dieses Interview.
Guten Tag, Gruß Silvia
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