Samstag, 29. April 2023

29. April 2023 - Charlie im Verlies

Charlie sieht mich zum ersten Mal an ...



Charlie im Verlies

Es gibt Hunde, die es leichter nehmen, ins Tierheim zu kommen - und es gibt die anderen, die diese Lebensumstellung besonders schwer nehmen. Zu Letzteren hat Charlie gehört. Mindestens zweimal in seinem Leben hat er bereits sein Zuhause verloren, und da seine Lebenszeit bereits weit fortgeschritten war, wurde sie nach hinten hin kürzer und die Zeit, dort wieder herauszukommen, dringender.

Er war der kleine Tibet-Terrier-Mischling, den alle Tierheim-Mitarbeiter als ersten am Morgen gehört haben, denn laut beweinte er sein Schicksal. Er, der eigentlich der geduldigste und liebste Hund der Welt war, fühlte sich überhaupt nicht wohl. Das lag keineswegs an den Menschen, die sich im Tierheim um ihn und sein Wohlergehen kümmerten: sie tun immer ihr Möglichstes und sind alle sehr tierbezogen und tierlieb. Aber kein Tierheim kann ein eigenes Zuhause ersetzen, in dem der Hund der Mittelpunkt ist und nicht mehr nur einer unter vielen.



Charlie war eine besonders empfindsame Seele. Wie in dem vorangestellten Video unseres 1. Treffens am 8. Juli 2021 weinte er täglich, und noch viel lauter, wenn kein Mensch mehr in seiner Nähe war. Am 18. Juli 2021 konnte ich ihn mit nach Hause nehmen, und im Nachhinein bedauere ich, dass durch ein paar widrige Umstände mindestens zwei Wochen verschenkt worden waren, die wir gemeinsam hätten verbringen können.

Charlie war damals bereits herzkrank, und manchmal hatte ich den Eindruck, er hat ursprünglich und wegen seiner schicksalhaften vielen Hundejahre als Lebens-Paket, in denen nicht immer alles glatt gelaufen ist,  unter dem "Broken Heart-Syndrom" gelitten.

17 Monate blieben uns, in denen wir zu einer Einheit herangewachsen sind, zwischen die kein Blatt mehr passte. Das Weinen hat er für immer und bis zu seinem Lebensende aufgegeben, nachdem er etwa zwei Stunden bei mir zu Hause war. Er war angekommen und wusste instinktiv, dass er nie wieder ins Tierheim zurückmusste.

Aber: erst im Nachhinein habe ich den Ort sehen können, an dem Charlie einige Wochen im Tierheim verbringen musste. Denn damals gab es keinen Grund, dass ich diese Örtlichkeiten aufsuchen musste/durfte: erst durch

Momo kam dieser Grund: sie ist ja nicht ein so ganz einfacher Hund wie Charlie es war, und so musste ich sie in ihren Zwinger begleiten, um ihr die Leine abzunehmen. Das war selbst für eine Tierheim-Mitarbeiterin schon zu einem Problem mit Erinnerungs-Biss geworden.


Das Verlies

Mit der Leiterin der Hundeabteilung stiegen Momo und ich die Treppen hinunter in einen großen Raum voller Zwinger, und der Betonboden unter unseren Füßen war nicht das Schlimmste. Das Schlimmste war alles zusammen: es gibt dort kein Tageslicht, es herrscht dort viel Langeweile, so dass wie in einem Groß-Chor melodisch gebellt wird, sobald man das Haus betritt - und es ist insgesamt wie in dem traurigen Verlies einer alten Burg, die nicht mehr auf bessere Tage hoffen muss. Die Hoffnungslosigkeit wird dort viele Hunde überfallen ...

und mir kam mein Charlie in den sofort auf tiefe Traurigkeit umgeschalteten Sinn: er muss hier besonders gelitten haben. Ich vergaß für einen Moment, dass ich wegen Momo hier war - und sah nur Charlie in einem dieser vielen Zwinger, wie er hin- und herlief und völlig verzweifelt war.

Momo ist viel härter im Nehmen als Charlie es war.

Ich wollte, ich hätte dieses Hundehaus nicht gesehen. Es ist sauber und rein oberflächlich gibt es daran nichts zu kritisieren, aber für einen

sensiblen Hund wie Charlie muss es die Hölle gewesen sein.

In meiner nach wie vor bestehenden Trauer um Charlie - den ich am 12. Dezember 2022 gehen lassen musste - habe ich seitdem ein trauriges Bild mehr in meinem Kopf.

Zum Glück wird das Tierheim in naher Zukunft - die aber noch nicht terminiert ist - an einem anderen Ort neu gebaut, und dann wird man hoffentlich

diese Bunker ohne Tageslicht nicht mehr bauen.

Licht und Sonne und Tageslicht und Mondlicht brauchen nicht nur Menschen, sondern auch Tiere. Sie möchten den Wind und die Blätter rauschen hören und sogar den Regen fühlen,

anstatt den ganzen lieben langen Tag mit künstlichem Licht beflutet zu werden.


Charlie, ich liebe dich für immer.


Guten Tag, Gruß Silvia

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