Samstag, 27. Mai 2017

27. Mai 2017 - Interview per E-Mail mit Ulrike Bliefert vom 22. Mai 2017

Das Foto wurde mir von Ulrike Bliefert freundlicher Weise zur Verfügung gestellt.

Vielen Dank dafür

und meinen herzlichsten Dank für das folgende Interview.



1. Ändert sich im Laufe der Zeit die Sicht auf das Showgeschäft - und wie hat sich das Show-Biz insgesamt verändert?

Showgeschäft und Show-Biz sind Begriffe, die mit dem Schauspiel- und/oder AutorInnenberuf letzten Endes rein gar nichts zu tun haben, auch wenn es vielleicht so aussieht, als ob heutzutage die Grenzen in dieser Hinsicht verschwimmen: Show-Biz / Showgeschäft kann man getrost den Heidi Klums, Dieter Bohlens und Verona Feldbuschs dieser Welt überlassen. Da geht es um Selbstdarstellung und Glamour, um medialen Budenzauber und alles, was die Klatschpresse gerne frisst.

Der Schauspielberuf hingegen ist nach wie vor vielfältig und hat mit kurzlebigen Effekten in den seltensten Fällen etwas zu tun. Es gibt die klassischen BühnenschauspielerInnen, Film- und FernsehschauspielerInnen, Sprecher und SprecherInnen für Hörspiel, Feature und Hörbuch, es gibt SynchronsprecherInnen, VorleserInnen und Speaker. Eine Mischform zwischen Show und Schauspiel stellen die Comedians dar, die zum Teil auch großartige SchauspielerInnen sein können (siehe Anke Engelke), aber eben nur zum Teil.

Die Rahmenbedingungen für SchauspielerInnen haben sich in den 45 Jahren, die ich dabei bin, drastisch geändert: In den 70er Jahren hatte man ohne Schauspielausbildung bei ARD und ZDF keine Chance, und ich hab zum Beispiel meist bereits ein Jahr zuvor gewusst, was ich drehen werde. Seit die Quotenkeule herrscht, dank Marktforschung 90% der Sendungen auf Mainstream gebürstet sind, die Drehzeiten immer weiter reduziert werden und RegisseurInnen zu Drehplaneinhaltung-um-jeden-Preis genötigt sind, hat sich auch das verändert: Oft erfährt man erst eine Woche vor dem Dreh, für was man angefragt wird.

Früher gab es zudem weder Castingagenturen noch ein ganzes Heer von AgentInnen, da besetzten die Regisseure die Rollen, und niemand im Sender hätte es gewagt, einem Regisseur (damals gab es praktisch nur Regisseure und keine Regisseurinnen) eine Besetzung aufs Auge zu drücken. Das hat sich dramatisch geändert, zum Leidwesen derer, die ja - neben der Kamera - das künstlerische Herzstück einer Produktion sind.

Kurz gesagt: Alles ist schnelllebiger geworden, es reden häufig viel mehr Köche über den Brei, als ihm sprichwörtlich gut tut, und der Film- Fernseh-Schauspielberuf hat infolge des massenhaften Einsatzes von Laien - sieht man von einer Handvoll Stars ab - mittlerweile etwa das Prestige einer ungelernten Arbeitskraft.



2. Was bedeutet Ihnen ein Roter Teppich?

Gar nichts. Ich stehe nicht gern im Mittelpunkt, d. h. ich nehme die „Fast Lane“, bei der man die Fotografen umgehen kann.



3. Hatten Sie gemeinsame Projekte mit Ihrem Ehemann? - Anmerkung: Er heißt László I. Kish 

Die habe ich. Wir haben bereits als Schauspieler zusammen gedreht und wir lektorieren gegenseitig unsere Prosa- und Drehbuchprojekte.


4. Was ist Ihnen das Liebste: Schreiben oder Spielen? Theaterspielen oder eher die Arbeiten an einem Film?

Für mich ist das Schreiben eine willkommene Abwechslung vom (meist hektischen) Drehen und umgekehrt.
Theater spiele ich schon seit Mitte der 80er Jahre nicht mehr. Ich hab es damals mit einem festen Engagement probiert, da unsere Tochter noch klein war, und ich nicht so viel hin- und herreisen wollte. Aber ich musste feststellen, dass ich nach jahrelanger Freiberuflichkeit ein Korsett wie bei einem Stadt- oder Staatstheater nicht mehr aushalten konnte: Ich möchte selber bestimmen, welche Rollen ich spiele und mir nicht von einem Intendanten oder einer Intendantin vorschreiben lassen, was „gut für mich“ wäre.


5. Natürlich kann ich "Jauche & Levkojen" und "Nirgendwo ist Poenichen" nicht außen vor lassen.  - Sie waren damals blutjung. Gab es am Drehort jemanden, der Ihnen besonders viel bedeutet hat?

Ja. Der mittlerweile unter tragischen Umständen verstorbene Kameramann der ersten Staffel, Horst Schier. Ich habe bei ihm sozusagen „Camera Acting“ auf allerhöchstem Niveau gelernt, da er mich - gemeinsam mit dem wunderbaren Regisseur Günter Gräwert - am gesamten Herstellungsprozess teilhaben ließ. Wir suchten zusammen Kostüme und Requisiten aus, inspizierten am Tag vor dem Dreh die jeweiligen Drehorte und besprachen vor Ort , was wir am nächsten Tag dort machen wollten. So viel Teilhabe ist einfach großartig! Und in Sachen „viel bedeuten“ nicht zu vergessen meine Kollegin Kornelia Boje, die im Poenichen-Teil eine Nonne (und Cousine) gespielt hat: Wir sind seitdem - seit über 40 Jahren - beste Freundinnen.

6. Fehlt Ihnen manchmal Ihr Heimatort - und der Ruhrpott, in dem Ihre "Omma" lebte?

Nein, Castrop-Rauxel fehlt mir nicht, auch Köln und München und Berlin fehlen mir nicht, nur manchmal fehlt mir mein heiß geliebtes Ostfriesland - wegen Meer, Krabben und Ebbe und Flut.

Aber meine Omma-an-sich fehlt mir! Sie war eine großartige Frau mit einem herrlich schrägen Humor, was für eine im vorletzten Jahrhundert Geborene, die zwei Weltkriege miterlebt und Mann und zwei Töchter in dessen Folgezeit verloren hat, wirklich ungewöhnlich ist. Ich halte oft innere Zwiesprache mit ihr, und ich werde ihr im Alter immer ähnlicher. Das ist zwar nicht Mainstream-tauglich, aber der Seele tuts gut.


7. Tierliebe - Ich denke da an Ihre Katzen und den Neuzugang, einen Hund:

Mit Hunde-Neuzugang Rudi und Komma, Patch und Minnie (Kater und zwei Katzen) ist der Haushalt hier auf dem Land für mich erst komplett! Wir haben lange in der Stadt gewohnt, und im vierten Stock mit Balkon mochte ich weder Katzen halten, noch einen größeren Hund. Hier auf dem Land, mit über 3.000 m2 Garten, ist für die Pelzis Platz genug zum Toben und Spielen. Ich freu mich, dass ich von den drei Katzen-Streunerchen als ihre „Dosenöffnerin“ ausgesucht wurde, und Rudis Weg führte von einer Müllkippe in Griechenland zu uns.

Er ist mit seinen 6 Monaten noch jung genug, den schlechten Start, den er dort hatte, zu überwinden, und Minnie und er sind ein unschlagbares Gespann in Sachen "Family Entertainment“: Die beiden spielen den ganzen Tag über miteinander. - Übrigens gehen alle drei Katzen mit, wenn ich mit Rudi spazieren gehe. Idylle pur!

Aber allgemein gesprochen ich bin absolut nicht tierlieb: Zecken - zum Beispiel - ziehe ich unseren Pelztieren mit der bloßen Hand heraus und kille sie mit Wonne, und Mücken haben bei mir wenig Überlebenschancen. Meine Tierliebe geht von Spinnen an aufwärts. Die haben bei uns im Haus wegen der begrünten Hauswand ein herrliches Leben und werden nicht gestört.

Kamele - zum Beispiel - hab ich bei unseren Indienreisen kennengelernt, und ich mag diese Tiere besonders gern, wogegen ich vor Pferden mitunter Angst habe.

Ansonsten geht es mir mit Tieren wie mit Menschen: Es gibt darunter durchaus ziemlich unsympathische Exemplare, und die liebe ich denn auch keineswegs, sondern ich geh ihnen - wenn irgend möglich - aus dem Weg.

8. Wobei oder wie können Sie am besten entspannen?

Beim im Garten wühlen.


9. Wie sähe eine ideale Welt aus?

Eine ideale Welt würde sich - nota bene jenseits jedweder religiöser musts und don'ts - nach dem Kantschen Imperativ richten: „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“ Oder einfach gesagt: „Was Du nicht willst, das man Dir tu, das füg auch keinem Anderen zu.“
Welcher Mensch würde schon gern von seinen Mitmenschen gedemütigt, geschlagen, getötet, vergewaltigt, verhungern gelassen oder unterdrückt?





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