Auf einem Friedhof ... einem ganz bestimmten vor langer Zeit ...
Besonders in jedem November ist die Erinnerung an einen Friedhof in Dortmund-Schüren wieder ganz nahe, obwohl ich den natürlich zu jeder Jahreszeit gekannt habe. Ich war lange nicht mehr dort, und ich habe auch nicht vor, versäumte Besuche nachzuholen. Es verbindet mich nichts mehr mit diesem dicht bewachsenen und an vielen Stellen sehr dunklem Gelände.
Als ich ein Kind war, sah das anders aus, aber heller war es natürlich keineswegs. Zwar hat mich persönlich auch damals nicht viel mit diesem Friedhof verbunden, aber es war mir immer ein kleines Vergnügen, gemeinsam mit meiner Oma dorthin zu gehen (einfach, weil ich alles gern tat, was ich mit ihr zusammen tun konnte). Ich tat es trotzdem nur ihr zuliebe, denn in meiner Erinnerung ist dieser Ort auch ein wenig unheimlich.
Aber ich gruselte mich ganz gerne ein wenig (warum ich dann auch Stephen-King-Romane gelesen habe, als ich etwas älter geworden war, heute lese ich die nicht mehr).
Um die zu meiner Oma gehörenden Gräber zu versorgen, mussten wir quer über das ganze Friedhofsfeld laufen. Denn wir gehörten nicht zu einer Familie mit monumentalen Grabstätten, um sämtliche Mitglieder im Tode wieder zu vereinen. Dafür fehlte uns einfach das nötige Geld.
Es gab das Grab von Omas Eltern, und ich glaube, dies war zumindest ein Doppelgrab. Dann gab es das Grab ihres Mannes, meines Opas, den ich nie kennen gelernt habe. Und traurigerweise auch jenes, in dem ihr Sohn Johannes mit 21 Jahren seine letzte Ruhestätte gefunden hatte.
Auf den Wegen von dem einen zu einem anderen Grab, gab es natürlich jede Menge Gräber von Menschen, die Oma zu deren Lebzeiten gekannt hatte. Nicht selten kam es also vor, dass der Friedhof der beste Ort
für einen Plausch war, weil sie natürlich auch dessen Besucher allesamt kannte. Ich kannte sie selbstverständlich dann auch, aber habe sie nicht wirklich in Erinnerung, außer wir trafen Verwandte dort.
Alles in allem war es ein Ort der Begegnung. Es wurde gelacht und erzählt und man verabredete sich, und der neueste Tratsch wurde selbstverständlich breitgetreten, denn in Dortmund-Schüren kannte eigentlich Jeder jeden.
Für meine Oma war dieser Ort wichtig, denn dort fühlte sie sich ihren Verstorbenen nahe. Sie hat mir gegenüber nie über den Tod ihres Sohnes Johannes geklagt, aber ich denke, nein, ich weiß, dieser Tod war für sie der schlimmste (später kam der Tod ihres Enkels Heinz, meines Bruders hinzu, und hat alle Wunden und für immer bis zu ihrem Lebensende wieder aufgerissen).
Ich bin der Überzeugung, dass ich selber für meine Oma
eine Art Nachfolgerin von Johannes war. Ein Ersatz war ich jedoch auf keinen Fall.
Ich fühlte mich somit schon als kleines Mädchen verpflichtet, sie auf diesen Friedhof zu begleiten,
obwohl er in all seiner Dunkelheit so gar nichts für ein Kind war. Wenn ich heute, so etwa einmal im Jahr, einen
Albtraum habe, spielt immer dieser Friedhof eine Rolle darin.
Vielleicht waren meine Oma und ich auch einfach nur zu oft an diesem stillen Ort, so dass sich das Bedrückende für mich manifestieren musste und es bis heute nachwirkt, zumindest manchmal.
Heute besuche ich nur noch selten Friedhöfe und höchstens aus sehenswerten Gründen, nicht, um Verstorbene dort zu besuchen.
Meine Oma starb in 1986, und ihr Grab liegt in Dortmund-Aplerbeck. Ich war nach ihrer Beerdigung noch zwei- oder dreimal dort,
denn sie ruht nicht wirklich an diesem Ort,
sondern an einem Ort, der sich mein Herz nennt.
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