Meine Oma und ihre drei Jungs
Meine Oma war Jahrgang 1902, und allein dafür, dass sie in Dortmund zwei Weltkriege erleben musste, hat sie Hochachtung verdient. Denn besonders der 2. Weltkrieg hat Dortmund zerstört hinterlassen, und man möchte nicht wissen,
was er in manchen Seelen angerichtet hat.
Ihre Seele kam mir immer gesund und heiter vor, aber vielleicht wollte ich manches auch nicht sehen. Von selber hat sie nie über Kriegszeiten gesprochen. Mich hat das lange Zeit nicht interessiert - und irgendwann war es zu spät, gezielte Fragen zu stellen.
Meine Oma Josefine war verheiratet mit Silverius Schäfer (bei meiner Namensgebung hat sie folglich intensiv das letzte Wort gehabt), einem Bergmann. Er starb bereits mit 47 Jahren, so dass ich ihn nie kennen gelernt habe.
Auch nicht kennen gelernt habe ich ihren 1924 geborenen Sohn Johannes, denn auch er starb früh, viel zu früh mit 21 Jahren.
Auf dem obigen Foto ist er der älteste Sohn. Der mittlere ist mein Vater, geboren 1928 (an diesem 27. September würde er 90 Jahre alt), und Franz wurde 1937 geboren -
so dass meine Oma für damalige Zeiten noch ziemlich spät in ihrem Leben schwanger geworden ist.
Über meine Geburt hat sie sich bestimmt eben so sehr gefreut wie über die ihrer eigenen Söhne - denn ich konnte vorweisen, was ihr bis dahin verwehrt wurde:
Endlich ein Mädchen!
Oma und ich
Zwischen uns passte kein Blatt.
In meiner Kindheit und irgendwie auch bis zu ihrem Lebensende (eine andere Geschichte) war sie eigentlich immer um mich herum und für mich da sowieso. Leider hat sie eine kleine Tyrannin großgezogen (meine Eltern haben jedoch versucht, gegenzusteuern).
Wollte ich in der Küche oder bei der Hausarbeit helfen, so hat sie dies abgelehnt: "Kind, du musst das nicht machen."
Sie meinte es gut, denn immerhin musste ich mich von anstrengenden Schultagen ausruhen. Nur zu gern oder auch nur irgendwann habe ich das eingesehen. Ich hatte ein sorgloses, schönes und interessantes Kindheits-Leben an ihrer Seite, Ego weit vorne ... und mit liebenden Augen übersehen.
Vermutlich musste sie selber in ihrer Kindheit jedoch zuviel im Haushalt helfen, so dass sie glaubte, Kinder sollten das eigentlich nicht tun. Sie kam eben aus einer anderen Zeit und Zeitrechnung.
Soweit es ihre finanziellen Mittel zuließen, verwöhnte sie mich nach Strich und Faden.
Doch, wer nun glaubt, ich hätte dafür nicht "bezahlen" müssen, der irrt:
Ich musste an jedem Sonntag mit ihr ins Hochamt gehen (katholische Messe). Und hin und wieder und eigentlich viel zu oft für meine Begriffe musste ich sie auf den Friedhof begleiten,
auf dem ihr Mann und Sohn lagen. Es war ein ziemlich düsterer Friedhof in meiner Erinnerung - und manchmal träume ich heute noch davon, und zwar nichts Schönes.
Eifersucht
Zum Glück musste ich mit meinem Bruder nicht um ihre Gunst buhlen. Die beiden liebten sich, aber sie hingen nicht wie Kletten aneinander,
so wie Oma und ich.
Fast hatte ich sie völlig für mich alleine ... wenn da nicht die traurige Erinnerung an ihren Sohn Johannes gewesen wäre.
Über ihn wollte sie manchmal sprechen ...
Und hier kommt meine tiefe Reue ins Spiel.
Denn ich wehrte jeden ihrer Versuche, über Johannes zu sprechen, mit bösen Worten (welche es waren, bleibt bei mir) ab. Auf die zwei lebenden Söhne musste ich nicht
eifersüchtig sein, aber auf den toten. Er schien mir etwas voraus zu haben, das ich nie haben würde.
Jedenfalls stellte es sich in meiner kindlichen und später auch noch jungen erwachsenen Welt für mich so dar.
So erfuhr ich niemals Näheres über Johannes, was ich heute und schon lange mit Bedauern feststellen muss.
Und zudem habe ich meine Oma so sehr gekränkt, ohne dies lange registriert zu haben.
Ich würde sie gern um Verzeihung bitten, denn das habe ich nie getan.
Sie starb im Oktober 1986.
Und wenn es den Himmel gibt, an den sie so fest geglaubt hat, dann wird sie wissen, dass ich meine Worte über Johannes schon lange bereue - und sie wird sie als das einordnen, was sie waren:
Die eifersüchtigen Ausbrüche eines unreifen Blages.
Guten Tag, Gruß Silvia
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