Das Foto wurde mir von Janine zur Verfügung gestellt
und zeigt Joel - natürlich unkenntlich, daher nur von seiner Rückseite
Telefon-Interview vom 30. Juni 2020
Janine und ihr Pflegekind
Janine hat nicht einfach und nur auf Wunsch des zuständigen Jugendamtes ein Pflegekind aufgenommen, denn es ist zusätzlich ihr Enkelkind. Obendrein muss Joel, so heißt der Kleine, die Verfehlungen seiner Mutter während der Schwangerschaft sein Leben lang bezahlen:
Er leidet unter FAS - dem fetalen Alkohol-Syndrom.
Mit 18 Monaten kam Joel 2016 in Janines Familie. Janine ist zum zweiten Mal verheiratet, und ihr Ehemann hat keinen Moment gezögert, als der Vorschlag vom Jugendamt kam, den Jungen aufzunehmen. In der Familie findet Janine alle Unterstützung.
Der Vater von Joel ist Janines ältester Sohn. Mit der Mutter von dem Jungen führt er eine On-Off-Beziehung, und niemand weiß, auf welchem Status der Schalter gerade steht.
Natürlich ist durch eine DNA-Analyse geklärt worden, dass sowohl Janine die Großmutter als auch ihr Sohn der Vater von Joel ist.
Der niedliche Junge befindet sich bei der Großmutter und dem angeheirateten Großvater in der sogenannten Verwandtenpflege.
Feststellung der Behinderung Joels
Joel kam zunächst als undiagnostiziertes, aber schwieriges Kind in Janines Familie. Doch nach etwa einem halben bis dreiviertel Jahr wurde er dem SPZ (Sozialpsychiatrisches Zentraum) vorgestellt. Anschließend erkannte der involvierte Neurologe, dass Joel eine Behinderung hat:
FAS. FAS ist bereits äußerlich sichtbar an den Gesichtszügen erkennbar.
Dass er bei der Inobhutnahme durch Janine nicht laufen und sprechen konnte oder keine großartige Erfahrung mit gesundem Essen hatte, hat sie zunächst der absolut fehlenden Fürsorge der Kindsmutter (und auch dem eigenen Sohn) zugeschrieben. Von ihnen bekam der Junge nicht ausreichend zu essen, und zum Laufen wurde er nie animiert. Kurz: Die Mutter hat sich kaum um ihr Kind gekümmert. Der Vater hat dem Geschehen hilflos und ideen- und vielleicht interessenlos zugesehen.
Obwohl diese Symptome auch in Joels Krankheit begründet sind.
Was den Alkoholkonsum seiner Mutter während der Schwangerschaft betraf: Ihr Gynäkologe hätte ihr das Trinken (angeblich) erlaubt! Kaum vorstellbar, dass ein Arzt so etwas wirklich äußert.
Joel ist insgesamt nicht auf dem Stand eines Kindes seines Alters. Er ist auch kleiner als andere Kinder im selben Alter.
Fehlende Nachtruhe und ständige Beobachtung
Janine erzählt, dass sie, seit Joel in der Familie lebt, keine (oder nur eine einzige) Nacht mehr durchgeschlafen hat. Er wacht mitten in der Nacht auf, stürmt das Schlafzimmer seiner Großeltern oder stellt den Fernseher an.
Überhaupt verlangt ein FAS-Kind ständige Aufmerksamkeit, denn unter anderem können diese Kinder keine Gefahren einschätzen.
Regeln müssen aufgestellt werden, aber nur wenige - denn das Merkvermögen ist nicht ausgeprägt.
Eine harte Aufgabe, für die man viel Liebe benötigt.
Doch Janine und ihre Familie, zu der ihr Mann und ein weiterer Sohn sowie ihre nicht mehr bei ihnen lebende Tochter bzw. Adoptivtochter (vom Ehemann, leibliche Tochter von Janine) gehört,
haben diese Liebe im Übermaß.
Niemand von ihnen möchte Joel mehr missen. Trotz der Herausforderungen, die er an sie alle stellt.
Hilfe gibt es überall
Janine ist sehr glücklich darüber, mit ihrem geliebten Problem-Kind überhaupt nicht allein gelassen zu werden. Sie kann über die zuständigen Behörden nicht klagen, sondern sie nur loben.
Joel besucht einen Integrativ-Kindergarten, in dem er die ganze Zeit von einer Inklusions-Assistentin begleitet wird.
Er bekommt während der Kita-Stunden auch die nötigen Logo-, Ergo- und Physio-Therapien.
Einmal im Jahr wird Joel einem Neurologen vorgestellt. Klang die Prognose zunächst düster, ist der Neurologe nun sehr zuversichtlich:
Joel hat sich absolut positiv entwickelt.
Einmal im Monat
dürfen die leiblichen Eltern Joel besuchen, und zwar getrennt. Joel braucht eine absolut ruhige und friedliche Umgebung. Bei einem Aufeinandertreffen seiner Eltern ist das leider nicht gegeben. Joel fühlt sich eher dem Vater zugehörig als der Mutter,
aber Mama und Papa sind für ihn die Großeltern. Seine leiblichen Eltern sind jeweils Mama und Papa plus Namenszusatz.
Vielen Dank
Janine für dieses absolut offenherzige Interview über ein schwieriges Thema und in diesem Fall über ein schweres Schicksal.
Janine hofft, dass Joel seinen weiteren Weg viel später eigenständig fortsetzen kann, zum Beispiel durch das Wohnen in einer betreuten Wohngruppe. Auch eine spätere Berufsausbildung ist nicht undenkbar.
Die besten Voraussetzungen in einer liebevollen Familie sind gegeben. Die Pflegschaft gilt zunächst bis zu Joels 18. Geburtstag ... auch, wenn die Eltern teilweise Anwandlungen hegen, ihr Kind zurückzubekommen.
Aber Joel benötigt neben viel Liebe auch eine konstant harmonische Umgebung, in der er klare Strukturen erfährt. Genau das lernt er in Janines Familie kennen.
In Janines Familie herrscht zudem eine Fröhlichkeit, die ich auch übers Telefon im Gespräch mit Janine spüren kann. Und eine Kraft der Liebe, die auch schwere Hürden nimmt und in der Zukunft weiterhin nehmen wird.
Meine Anmerkung
Eine Frau, die während ihrer Schwangerschaft nicht aufhören kann, zu trinken - hat immer noch die Möglichkeit, und auch die Chance, später eine Entziehungs-Kur zu machen (und trocken zu werden) ... obwohl genau während oder besser noch vor einer Schwangerschaft der richtige Zeitpunkt dafür wäre.
Ihr Kind kann dem leider sein Leben lang nicht entfliehen. Obwohl es völlig unschuldig an dieser Sucht ist, sind die Auswirkungen auf sein Leben - im Gegensatz zu dem seiner Mutter - unumkehrbar.
Guten Tag, Gruß Silvia
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen